Schlechte Noten für die Stradivari
Ein Versuch sollte das Klang-Geheimnis alter Meistergeigen ergründen. Das Ergebnis: Es gibt gar keins.
Paris. Eine Stradivari — schon der Name klingt wie Musik und lässt Klassikfreunde erwartungsvoll seufzen. Die Instrumente, denen der italienische Geigenbauer Antonio Giacomo Stradivari (1648 — 1737) seinen Namen gegeben hat, gelten als das Nonplusultra eines strahlenden und warmen Violinenklangs. Wer als Profigeiger auf sich hält, spielt seit dem frühen 19. Jahrhundert eine Stradivari oder eine Guarneri (von Guarneri del Gesù, 1698 — 1744).
Anne-Sophie Mutter beispielsweise tritt seit Jahren bevorzugt mit ihrer Lord Dunn Raven auf. Etwa 650 Stradivaris soll es weltweit noch geben. Doch die wenigsten alten Meistergeigen erklingen in Konzertsälen. Viele liegen als Geldanlage in einem Tresor, denn sie erzielen bei Auktionen mehrere Millionen Dollar.
Doch das glänzende Image der Stradivaris bekommt nun hässliche Schrammen. Bei einem Blindversuch fanden 21 Profimusiker neuere Geigen überwiegend besser, berichten Wissenschaftler in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften. Viele Musiker behaupten, am Klang des Instruments sofort erkennen zu können, ob es sich um eine neue oder eine alte Geige handelt. Das ließ sich in diesem Experiment nicht erhärten, die Probanden konnten die Instrumente im Grunde nicht auseinanderhalten.
Es gibt zahlreiche Vermutungen zur vermeintlich überragenden Qualität alter Geigen, die von der Verwendung eines speziellen Lacks über besondere Trocknungsverfahren des Holzes bis zu minimalen, nur stecknadelkopfgroßen Einkerbungen und Verstärkungen von einem Zehntel Gramm reichen.
Claudia Fritz von der Universität Paris ließ für ihren Versuch 21 erfahrene Geiger auf insgesamt sechs Geigen spielen. Diese saßen dabei in einem abgedunkelten Hotelzimmer und mit Schweißerbrillen vor den Augen, damit der Augenschein sie nicht beeinflusst. Drei der Geigen waren wenige Tage bis Jahre alt, dazu kamen zwei Stradivaris und eine Guarneri. Außerdem wurde etwas Parfüm versprüht, damit nicht der Geruch des Holzes Rückschlüsse erlaubt.
In den Tests schnitten die neuen Instrumente durchweg besser ab. So entschieden sich bei der entsprechenden Testfrage nur acht der 21 Musiker, eine alte Geige mit nach Hause zu nehmen, 13 wählten eine neue. Eine der Stradivaris wurde gar als schlechtestes Instrument bewertet.
Statt nach dem „Geheimnis“ der italienischen Geigenbauer zu suchen, sollte in Zukunft besser untersucht werden, wie Musiker überhaupt Instrumente bewerten, schreiben die Wissenschaftler. Es solle geprüft werden, auf welche Merkmale sie besonders Wert legen und wie diese mit messbaren Eigenschaften des Instruments zusammenhängen.