Schleswig-Holstein Musik Festival auf dem Obsthof
Stocksee (dpa) - Ergriffen von Rachmaninoff, begeistert von Jazz Made in Südafrika, fasziniert von Starcellistin Sol Gabetta und erheitert von unbefangen singenden kleinen Kindern - so erlebt das Publikum beim Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) das erste „Musikfest auf dem Lande“.
Sommerlich luftig gekleidet sind 1300 Besucher in den „Konzertsaal“ gekommen. Das ist die Obsthalle von Gut Stockseehof, in der sonst Himbeeren und Kirchen verarbeitet werden.
Wer die 30 Euro Eintritt sparen will oder es an der Luft einfach schöner findet, hört im Park beim Rauschen der Blätter in den alten Linden der Außenübertragung zu. Die Idylle der Holsteinischen Schweiz zwischen Eutin und Neumünster bietet das perfekte Ambiente für eine dieser musikalischen Landpartien, die seit dem Start vor 28 Jahren ein Markenzeichen des Festivals sind.
„Die Musikfeste auf dem Lande schaffen einen Zugang zur klassischen Musik auf ungezwungene und sympathische Weise — und sie bauen Hemmschwellen ab“, sagt Intendant Christian Kuhnt. Drinnen haben die 1300 gerade das Lübsche Trio gefeiert, Lübecker Jungs zwischen 16 und 18, die Sergei Rachmaninoffs Trio élégiaque für Klavier, Violine und Violoncello hinreißend spielen. „Das Trio ist der absolute Hammer“, sagt der Intendant.
Das gilt auch für die Truppe, die dann mit Schlagzeug, Posaune, Saxofon, Gitarre und Klavier loslegt. Traditionelle Rhythmen aus Südafrika und Jazz spielen die Mitglieder des MIAGI-Jugendorchesters. MIAGI steht für Music Is A Great Investment und ein Projekt, das nicht nur schwarze, weiße und farbige Musiker aus dem einstigen Apartheid-Land zusammenbringt, sondern sich auch darüber hinaus gegen Rassismus, für Menschenrechte und Demokratie einsetzt. Auf dem Stockseehof - erstmals 1543 als Rittergut erwähnt - faszinieren Tshepo Tsotetsi & Co mit brillantem Teamspiel und fulminanten Soli.
Im weitläufigen Park liegen in den Pausen Hunderte auf Decken und sitzen an Campingstühlen, trinken Wasser, Kaffee und Sekt. Kinder toben, andere werden von Musikpädagogen betreut.
Dann am Abend, 25 Stunden vor dem WM-Finale zwischen Deutschland und ihrem Heimatland, zieht die argentinische Starcellistin Sol Gabetta die Klassikgemeinde in den Bann. Im sehr gut besuchten, aber nicht ausverkauften Saal feiern die Zuhörer Gabetta und den Pianisten Bertrand Chamayou für ihre Sonaten von Beethoven und Chopin. Die 32-Jährige ist mit 17 Konzerten prägende Künstlerin dieses Festivalsommers.
Der Intendant ist an diesem Abend nicht dabei, sondern mit 6000 Popfans bei Elton John in Kiel, der diesmal zu den SHMF-Stars gehört. Wie auch Dieter Thomas Kuhn, Ina Müller oder Tatort-Kommissar Axel Prahl. „Gute Musik kennt keine Grenzen“, sagt Kuhnt. „Unsere Festivalgäste gehen mit großer Selbstverständlichkeit zu Sol Gabetta und dann zu Elton John.“
Auf dem Gut steigt traditionell das erste „Musikfest auf dem Lande“ während des SHMF-Sommers, der nach dem Auftakt am ersten Juli-Wochenende bestens angelaufen ist. Auch die vier weiteren Wochenend-Musikfeste auf den Gutshöfen von Hasselburg, Emkendorf, Wotersen und Pronstorf sind bestens gebucht. Bei den Abendkonzerten ist jeweils ein Stargast dabei. Eine Reverenz an besonders bodenständige Norddeutsche ist das erste Musikfest „op platt“. Am 9. August erklingen dann Bach, Schumann und Brahms in Pronstorf bei Bad Segeberg - im Kuhstall.