Sea + Air arbeiten am Sommerhit 2017

Frickenhausen (dpa) - Daniel Benjamin und seine Frau Eleni haben eine eigene Schublade. So zumindest beschreiben sie ihren Musikstil, der für manche wohl eher nach einem wilden Mix klingt. Ein bisschen Pop, ein bisschen Punk, ein bisschen Johann Sebastian Bach.

Die Idee sei, Rockmusik zu machen, die auch vor 300 Jahren hätte gespielt werden können. Unter dem Namen Sea + Air, ein deutsch-englisches Wortspiel, tourt das Duo aus dem kleinen Örtchen Frickenhausen bei Stuttgart gerade durch halb Europa. Dabei machen die beiden auch Werbung für ihren Song „The Heart Of The Rainbow“, der nach ihrem Willen Sommerhit 2017 werden soll. Spätestens.

„Das habe ich bei einem Konzert mal spontan gesagt“, erzählt Daniel. Inzwischen ist es ein Running Gag geworden. Bis Ende November sind Auftritte geplant, dann haben die beiden knapp 600 Konzerte als Sea + Air gegeben. Zuvor arbeiteten sie schon zusammen an anderen Projekten, machten unter anderem Filmmusik. Dass sie nun als Duo unterwegs sind, verdanken sie gewisser Weise Whitney Houston. Vor drei Jahren traten die beiden im Vorprogramm bei Houstons Deutschland-Tournee auf. Gewünscht waren statt einer Band, als die sie damals unterwegs waren, aber nur die zwei Musiker.

Während sie selbst fanden, dass das ganz gut passe, war der Start eher unrühmlich: In Leipzig hätten sie Tausende Menschen ausgebuht, sagt Eleni. „Aber das muss man auch mal erlebt haben.“ Sie stellten die Reihenfolge der Lieder um, versuchten Dynamik in ihre Show zu bringen - und starteten 2011 als Sea + Air. Nach der Tournee soll auf das Debüt „My Heart's Sick Chord“ ein zweites Album folgen.

Auf der Bühne spielen die beiden mehrere Instrumente, oft auch gleichzeitig. Beigebracht haben sie sich das meiste selbst, wie sie sagen. „Wir wollen nicht Perfektionisten an einem Instrument sein, sondern experimentieren“, erklärt Eleni. Immer dabei: ein Cembalo. Das Tasteninstrument, das an ein Klavier erinnert, hatte seine Hochzeit im Barock. Entsprechend schwermütig klingen einige Lieder.

Dann kommen wieder poppige Sequenzen, dann schrille Schreie. „Wir sind in alle Richtungen offen“, sagte Daniel. Und damit müssen auch die Hörer klarkommen: „Jeder kann damit leben, wenn mal 'ne Minute Pop kommt oder Punk“, ist er überzeugt. Vor dem Vermischen hätten sie lange Angst gehabt, niemandem vor den Kopf stoßen wollen. „Aber das hätte uns mittelmäßig gemacht.“ Ob sie es je an die Prominenz einer Houston schafften, spekulieren sie mit Humor. „Aber wir wollen schon irgendwann die Ehrenbürgerschaft von Frickenhausen.“

Jan Freitag schreibt im „Zeit“-Blog, dass das Duo „nicht in Ehrfurcht erstarrt, dass es trotz aller Avancen eigen klingt und besonders, liegt am unbedingten Willen zur Merkwürdigkeit“. Die „Süddeutsche“ kritisiert, live entlade sich das Konzept in einer „avantgardistisch anmutenden und überaus kurzweiligen Performance“. Auf Plattenlänge gerate manches etwas überpompös und kitschig. „Irgendwie hört sich das Eigenwillige dann auch schnell ab.“

Sea + Air haben kleine Wohnzimmerkonzerte gegeben, sind bei „Inas Nacht“ in der ARD aufgetreten, aber eben auch mit Houston getourt. „Wir verstellen uns nicht“, betont Daniel. Nun wollen sie neues Publikum etwa in Großbritannien erobern. Dabei vergessen sie ihre Anfänge nicht: „Wir müssen davon ausgehen, uns kennt kein Schwein.“

Beide über 30, beide ohne andere Ausbildung setzen Daniel und Eleni auf ihr musikalisches Talent. „Wir werden das machen, bis wir uns nicht mehr bewegen können“, sagt Eleni. Dabei hoffen sie auf ein Publikum, das angesichts der verschiedenen Genres nicht Beliebigkeit fürchtet, sondern darauf vertraut, in jedem Fall gute Musik zu bekommen. „Bei Künstlern, die wie verehren, wie Prince, Kate Bush oder U2, fragt auch keiner nach, was die machen“, sagt Daniel. Ihm reichten ein paar Tausend treue Fans, die die Band unterstützen.

Kennengelernt hätten sich die beiden in einer lauen Sommernacht, erzählt Daniel. Sie schlafwandelte im Freien, er führte sie sanft nach Hause. „Wir sind beide Träumer.“ Im Booklet zur CD heißt es, als er sie das erste Mal sah, habe sie getanzt. Vielleicht ist es ein bisschen Extravaganz wie sein markanter Schnauzbart, vielleicht stammt das Undurchsichtige aber auch aus ihrer eigenen Schublade.