„Shine“-Pianist David Helfgott in Berlin

Berlin (dpa) - Der Film „Shine“ machte ihn weltberühmt: Die Lebensgeschichte des australischen Pianisten David Helfgott berührte in den 90er Jahren Millionen von Menschen. Schauspieler Geoffrey Rush erhielt für seine Darstellung des zwischen Genie und Wahnsinn zerrissenen Musikers einen Oscar.

Bei seiner derzeitigen Tour kommt er auch wieder nach Deutschland - für einen Auftritt an diesem Montag (16. Mai) in der Philharmonie Berlin. „Ich mag das deutsche Publikum. Es behandelt mich wie einen Superstar“, sagt der 63-Jährige bei einem Treffen mit der Nachrichtenagentur dpa und freut sich wie ein kleines Kind. „Gutes Gefühl, gutes Gefühl, sehr gutes Gefühl.“

Keine Sekunde kann der schmale, zierliche Mann mit den knallroten Turnschuhen und den dicken Brillengläsern stillsitzen. Er rutscht umher, fuchtelt mit Armen und Beinen, drückt und herzt einen, sucht liebevoll Nähe. Einmal überschlagen sich seine Gedanken, ein andermal bleibt er beim immergleichen Wort hängen.

Eine besondere Art von Autismus, sagen die Experten. „Ich fühle mich gut, wie ein Känguru“, sagt er selbst. „Der Arzt hat mir ein paar Sachen verschrieben, aber ich halte nichts von Medizin.“ Seine um 15 Jahre ältere Frau Gillian, die ihm nach seinem psychischen Absturz in den 80er Jahren langsam wieder auf die Bühne half, ist seither stets an seiner Seite. „Er denkt zu schnell. Deshalb bekommt er etwas, das ihn ein bisschen runterdimmt. Sonst kriegt er einfach viel zu viele Informationen auf einmal.“

Zum Film „Shine“, an dem Helfgott selbst beratend mitwirkte, bekommt er laut Gillian bis heute dankbare Briefe und E-Mails von Menschen, die sich in einer schweren Lebenssituation angesprochen fühlen. „Der Film hat ihn viel stärker gemacht. Er hatte das Gefühl: Ich teile mein Leben mit der Welt, ich muss die ganze Last nicht mehr allein tragen.“

Die ganze Last - das war vor allem das schwierige Verhältnis zum ehrgeizigen, herrschsüchtigen Vater (im Film: Armin Mueller-Stahl). Der jüdische Einwanderer aus Polen, selbst aus bescheidenen Verhältnissen, will den begabten Sohn um jeden Preis zum Star machen. Eine glänzende Karriere beginnt. Aber bald kann er dem Druck nicht mehr standhalten: Zusammenbrüche, psychiatrische Behandlung, Nervenheilanstalt. Die Ärzte verbieten ihm für Jahre das Klavierspielen.

Als die Astrologin Gillian ihn 1983 kennenlernt, ist er mit 36 am Ende. Zwei Jahre später geht er in Australien erstmals wieder auf Tournee, es folgen umjubelte Auftritte in der ganzen Welt. Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 - das Teufelsstück, das ihn einst in den Irrsinn trieb - wird zu seinem Markenzeichen und als Soundtrack von „Shine“ zu einem Bestseller.

„Ich hatte die Musik verloren. Aber der Nebel hat sich gelichtet. Ich konnte wieder hören. Ich habe überlebt“, sagt er heute. Auch gegenüber seinem Vater hege er keinen Groll mehr. „Ich habe meinen Frieden mit ihm geschlossen. Jetzt kann er mir nichts mehr tun.“

Bei dem Konzert in Berlin steht der nur von wenigen Pianisten beherrschte Rachmaninow diesmal nicht auf dem Programm. Stattdessen spielt Helfgott Liszt, das Italienische Konzert von Bach und die von ihm neu erarbeitete Sonate h-Moll von Frédéric Chopin. „Ich spiele gern glückliche Musik, gefühlvolle Musik“, sagt er. „Ich mag es, wenn ich weinen muss.“