Sicherheit bei Konzerten: Zwischen Vorsicht und Panikmache

Wacken (dpa) - Sorgfältig wird jeder „Metalhead“ am Eingang kontrolliert. Mitarbeiter blicken sogar unter die Hüte der Besucher.

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Bereits am Abend vor dem offiziellen Start des größten Heavy-Metal-Festivals der Welt ist der Ansturm groß - der Einlass geht aber zügig voran. Denn dieses Jahr herrscht auf dem Festivalgelände in Wacken Taschenverbot.

Der Däne Soren Nielsen klagt, es sei umständlich, ohne Tasche auf ein Festival zu gehen. Doch eine Gruppe von vier Besuchern weiß sich zu helfen: Alle haben die erlaubten Gürteltaschen um die Hüften. Sie finden das Verbot völlig in Ordnung: „Sicherheit geht eben vor!“

Sicherheit - nach den Gewalttaten der vergangenen Wochen in Nizza, Würzburg, München, Ansbach und Rouen hat dies eine neue Bedeutung bekommen. Gerade bei Musikfestivals und Open-Air-Events. Sie haben auch in der Politik erneut eine Debatte ausgelöst. Bereits am Tag nach dem Anschlag im bayerischen Ansbach trafen sich die Innenminister von Bund und Ländern und verständigten sich auf eine erhöhte Polizeipräsenz bei bestimmten Veranstaltungen. Zudem sollten Veranstalter prüfen, wie sie Konzepte optimieren und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen können, hieß es.

Viele Städte in Frankreich sagten nach den Terroranschlägen im Land ihre Festivals und Sommerveranstaltungen ab. In Deutschland ist dies weniger der Fall - doch um das Thema Sicherheit kommt wohl kaum ein Konzert-, Open-Air-Theater- oder Festivalveranstalter herum. Die Organisatoren des „Wacken Open Air“ in Schleswig-Holstein reagierten unter anderem mit einem Rucksack- und Taschenverbot auf dem Hauptgelände. Denn in einem Rucksack war die Bombe in Ansbach versteckt, die den 27-jährigen Täter tötete und 15 Menschen verletzte. Er hatte Ermittlern zufolge versucht, auf das Konzertgelände zu gelangen - hatte aber zum Glück keine Eintrittskarte.

Auch der Veranstalter Live Nation ließ größere Taschen, Handtaschen und Rucksäcke bei seinen Konzerten verbieten. Rihanna, Beyoncé und Sting stehen auf seinen Bühnen. „Unser Ziel ist es, die Kultur als wesentliches Merkmal einer freien und offenen Gesellschaft nicht einschränken zu lassen“, teilt Geschäftsführer Marek Lieberberg mit. Angesichts der zunehmenden Bedrohung sei es jedoch zwingend, den Schutz für Besucher, Künstler und Personal ganz erheblich auszuweiten.

Viele Klassik-Festivals und Theater-Festspiele machen es ähnlich. Zum ersten Mal in der Geschichte der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth war das Festspielhaus weiträumig eingezäunt, Polizisten patrouillierten im Park, Autos durften nicht am Festspielhaus vorfahren, und Festspiel-Besucher mussten sich in die Taschen schauen lassen. Bei den Freilichtspielen im baden-württembergischen Schwäbisch Hall wurden auch die Kontrollen verschärft: Die Ordnungskräfte seien neu eingewiesen worden, Tickets würden besonders vorsichtig kontrolliert und Rucksäcke würden stichprobenartig durchsucht, sagt eine Sprecherin.

„Wir können natürlich keine hundertprozentige Sicherheit bieten“, sagt eine Sprecherin des Theater Erfurts, Veranstalter der Domstufen-Festspiele mit rund 34 000 erwarteten Besuchern. Dennoch werde alles getan, was nur geht: Bei der Open-Air-Aufführung der Oper „Tosca“ würden in diesem Jahr alle mitgebrachten Gepäckstücke kontrolliert - auch Decken und wärmere Kleidung. Rucksäcke und Rollkoffer seien auf der Tribüne verboten. Diese verschärften Maßnahmen seien zwar ein zusätzlicher Aufwand, „aber wir machen das gerne, um ein Sicherheitsgefühl herzustellen“.

Die Veranstalter wissen: Der Grat zwischen Sicherheitsgefühl und Panikmache ist schmal. Das Besuchererlebnis durch Sicherheitsvorkehrungen zu beeinträchtigen, will wohl keiner. „Grundsätzlich gilt: Wir sind aufmerksamer denn je“, sagt eine Sprecherin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Über 100 Konzerte mit 100 bis 9000 Besuchern werden demnach im ganzen Land veranstaltet. Bei den großen Events gebe es ohnehin einen Sicherheitsdienst, der nun noch einmal nach den jüngsten Ereignissen verstärkt worden sei.

„Aber uns ist wichtig, dass wir keine Kultur des grundsätzlichen Misstrauens gegenüber unseren Besuchern pflegen wollen“, sagt die Sprecherin. „Dies wäre genauso wie flächendeckender Polizeischutz eine Beschneidung der freiheitlichen Rechte unserer Besucher.“