Bayreuth „Siegfried“ feiert Premiere mit Krokodil und Kalaschnikow

Bayreuth (dpa) - Die Jagd nach dem verfluchten „Ring des Nibelungen“ geht weiter. Bei den Bayreuther Festspielen hat am Dienstag mit der Oper „Siegfried“ der dritte Teil von Richard Wagners monumentalem Werk Premiere gefeiert.

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Es ist die Geschichte von einem jungen Helden, der das Fürchten nicht kennt - und furchtlos zeigten sich angesichts des tropischen Wetters auch Zuschauer und Künstler am bislang wohl heißesten Premierentag der Festspielsaison 2017.

34 Grad zeigt das Thermometer, als die Fanfarenbläser am Dienstagnachmittag das Publikum zum Beginn des ersten Aktes rufen. Das Festspielhaus ist nicht klimatisiert, was die Opernaufführungen jedes Jahr wieder für alle Beteiligten zur schweißtreibenden Angelegenheit macht.

Wie schon im „Rheingold“ und der „Walküre“ präsentiert Regie-Provokateur Castorf ein buntes Allerlei an Ideen und politischen Anspielungen - die nicht immer ganz schlüssig sind, aber bisweilen ganz lustig. Die Szenerie wechselt zwischen einer bühnenhohen Replik des Mount Rushmore - jedoch nicht mit vier in Stein gemeißelten US-Präsidenten, sondern mit den Köpfen von Marx, Stalin, Lenin und Mao - und einem Berliner Alexanderplatz samt U-Bahn-Station und Postamt. Die gigantische Szenerie und zahlreiche Videoeinspielungen lenken leider einmal mehr zu sehr vom Wesentlichen - Musik und Gesang - ab.

Mime (Andreas Conrad) campiert in einem Wohnwagen, in dem er Siegfried (Stefan Vinke) aufgezogen hat. Es ist ihm nicht gelungen, das zerbrochene Schwert Siegmunds zusammenzuschweißen. Von Wanderer Wotan (Thomas J. Mayer) erfährt Mime, wer allein dazu in der Lage ist: Nur wer das Fürchten nicht kennt, werde die Stücke des Schwerts wieder vereinen - und diesem werde Mime unterliegen. Mime erkennt, dass ausgerechnet sein Ziehsohn Siegfried der Mann ist, der das Fürchten nicht gelernt hat. Der erste Akt zieht sich.

Im zweiten Teil nimmt die Inszenierung Fahrt auf. Grotesk bleibt sie allemal. Siegfried, der tatsächlich das Schwert geschmiedet hat, kann den Verlockungen des Waldvogels (Ana Durlovski) am Berliner Alexanderplatz kaum widerstehen - und knallt dann mit einer krachenden Kalaschnikow-Salve Fafner (Karl-Heinz Lehner) ab. Der warnt ihn mit letzter Kraft vor Mime. Und auch den tötet der furchtlose Siegfried.

Im dritten Akt kehrt im Outfit einer Puffmutti Urmutter Erda zurück, erneut hinreißend gesungen von Nadine Weissmann. Sie debattiert heftig mit dem Spaghetti in sich hineinschaufelnden Wotan, um sich dann mit ihm zu versöhnen. Doch der nahende Siegfried stört die beiden. Zurück vor der Kulisse des Mount Rushmore begegnet Siegfried der schlafenden Brünnhilde (Catherine Foster).

Mit dem Part der beiden kehrt nach viel Klamauk in den ersten zwei Akten das Gefühl großer Oper ins Festspielhaus zurück. Die erneut starke Foster singt Brünnhildes Erweckungs-Solo „Heil dir, Sonne“ durchdringend und würdevoll. Dirigent Janowski führt das Orchester zum typischen Wagner-Bombast und zurück zu leisen, zarten Tönen. Zurück am Alexanderplatz heben Siegfried und Brünnhilde alias Foster und Vinke zum leidenschaftlichen Schlussduett an.

Dass im Hintergrund sieben Krokodile über die Bühne wackeln - Castorf hat die Kroko-Familie von Jahr zu Jahr wachsen lassen - sorgt bei den Zuschauern für Heiterkeit. Empörung bleibt aus. Das Publikum hat sich an Castorf gewöhnt.

Der Premierenzyklus des „Ring des Nibelungen“ geht am Donnerstag mit der „Götterdämmerung“ zu Ende.