Simone Young beendet „Wagner-Wahn“

Hamburg (dpa) - Am Ende konnte sie es selbst kaum glauben: „Bei mir ist es noch nicht so richtig angekommen, dass es vorbei ist.

Morgen werde ich bestimmt aufwachen und als erstes denken: Was gibt es heute? Und dann erstmal aufatmen“, sagte Opernintendantin Simone Young der Nachrichtenagentur dpa ziemlich erleichtert nach der fünfeinhalb-stündigen „Götterdämmerung“ am Sonntagabend.

In den zurückliegenden drei Wochen dirigierte die Australierin in einem beispiellosen Kraftakt zum 200. Geburtstag von Richard Wagner alle zehn Hauptwerke des Komponisten. Zu dem einzigartigen Spektakel - insgesamt wurden fast 40 Stunden Wagner geboten - kamen Wagner-Fans aus aller Welt in die Hansestadt, darunter Gäste aus Israel, Japan, Kanada, Neuseeland, Russland, Taiwan und den USA.

„Das war eine großartige Leistung, alle Achtung, Hut ab, Sie haben das phänomenal gemacht“, bedankte sich Young nach der Vorstellung bei einem Empfang für Sänger und Musiker. „Ich bin sehr glücklich und stolz auf den großen Erfolg unseres "Wagner-Wahns" und noch ganz überwältigt von der Festspielstimmung, die während dieser drei Wochen an der Staatsoper Hamburg herrschte“, meinte die 52-Jährige. Es sei wunderbar, dass so viele Wagner-Fans aus der ganzen Welt extra hierfür nach Hamburg gereist sind. „Alle Kollegen aus dem Haus haben gemeinsam mitgeholfen, diesen in der Tat "wahnsinnigen" künstlerischen und logistischen Kraftakt zu bewältigen.“

Auch bei der letzten Aufführung der „Götterdämmerung“ in der Inszenierung von Claus Guth gab es - wie bei den anderen Vorstellungen auch - Applaus im Stehen vor allem für Simone Young am Pult der Philharmoniker, aber auch für den Chor und die Sänger, allen voran Linda Watson als Brünnhilde, Christian Franz als Siegfried, Attila Jun als Hagen und Robert Bork als Gunther. Antonio Yang als Alberich und Anja Fidelia Ulrich als Gutrune waren kurzfristig eingesprungen. Simone Young führte das Orchester mit stets resolut zupackender Hand, äußerst spannungsgeladen, doch auch mit klugem Blick für die erst verhaltenen, dann immer auswegloser werdenden Düsternisse des „Ring“-Finales.

Neben dem „Ring“-Zyklus von Claus Guth, den Simone Young in den vergangenen Jahren herausbrachte, standen noch Peter Konwitschnys „Meistersänger von Nürnberg“ auf dem Programm, die 2002 mit einer furiosen Festwiesenszene und einer Unterbrechung der Ansprache von Hans Sachs für einen Skandal sorgten, ebenso wie sein „Lohengrin“ im wilhelminischen Klassenzimmer (1998). Legendär sind auch Ruth Berghaus' strenge Interpretation von „Tristan und Isolde“ (1988) und Robert Wilsons kluger „Parsifal“ (1990). Komplettiert wurde der „Wagner-Wahn“ durch Harry Kupfers „Tannhäuser“ (1990) und Marco Arturo Marellis „Der fliegende Holländer“ (1996).

Zu den Besuchern aus aller Welt gehörte auch Charlie Chan aus Taiwan, der mit einer Gruppe von Wagner-Fans nach Hamburg reiste. „Nirgendwo sonst wurden alle zehn großen Werke in kurzem Zeitraum hintereinander aufgeführt“, sagte er. Und der nächste Kultur-Marathon in Hamburg startet schon in wenigen Tagen: Am Sonntag (9. Juni) beginnen die 39. Hamburger Ballett-Tage, die zum 40. Jubiläum von Ballettchef John Neumeier in diesem Jahr eine Woche länger dauern. Bis zum 30. Juni stehen dann 23 verschiedene Ballette in 19 Vorstellungen auf dem Programm. „Viele Kollegen aus der ganzen Welt halten mich für verrückt. Kaum eine Compagnie auf der Welt wagt ein so großes Ballett-Festival“, meinte Neumeier dazu.