Singer/Songwriter-Alben: Arthur, Beal & Grey Reverend
Berlin (dpa) - Sommermusik war gestern - jetzt kommt die Zeit, in der man sich gern mal mit einem wärmenden Getränk zurücklehnt und ernsthaften Liedern lauscht. Drei Singer/Songwriter-Tipps für den Herbst: zwei souveräne, starke Platten - und ein Opus magnum.
Letzteres stammt von JOSEPH ARTHUR, dem Weg- und Labelgenossen von Peter Gabriel. Auf seinem Doppelalbum „The Ballad Of Boogie Christ: Acts 1 & 2“ (Real World/Indigo) setzt der Mann nun endlich all das um, was man ihm seit seinem Debüt von 1997 immer schon zugetraut hatte. 24 Songs nach dem Motto „All killer, no filler“ umfasst dieses über 100-minütige Großwerk, auf dem der mit einem sehr variablen Bariton ausgestattete Amerikaner alle Register zieht.
Dass dem 41-Jährigen dabei tolle Musiker wie Joan Wasser (Joan As Policewoman), Garth Hudson (The Band), Gitarrist Ben Harper und Drummer-Legende Jim Keltner zur Seite standen, verblasst beinahe angesichts der Klasse dieses Songzyklus'. Zwischen dylaneskem Folk, Fifties- und Sixties-Referenzen, epischem Rock'n'Roll à la Bruce Springsteen, bewegenden Balladen und gospelgetränktem Soul bewegen sich die zwei Dutzend Lieder. Highlights lassen sich nur deswegen kaum ausmachen, weil es hier schlicht keine schwächeren Stücke gibt.
Arthurs Erzählung rund um den Boogie-Christus („Ein fiktionaler Charakter, der lose auf meiner eigenen Entwicklung basiert“) ist in ihrer Geschlossenheit eindeutig der Höhepunkt in der Karriere dieses Songwriters. Klangen manche ältere Alben oft etwas zerrissen und skizzenhaft, so hat der in Ohio aufgewachsene Künstler diesmal in einer mächtigen Studioproduktion all seine Qualitäten gebündelt. Als aktuelle Einflüsse nennt er das Pop-Chamäleon David Bowie und den Songwriter-Kollegen Chuck Prophet. Keine Frage: Joseph Arthur kann sich nach diesem Meisterstück mit den Besten messen.
Im Vergleich zu Joseph Arthur ist der afro-amerikanische Singer/Songwriter L.D. Brown alias GREY REVEREND noch ein fast unbeschriebenes Blatt. Sein zweites Album „A Hero's Lie“ (Motion Audio/Ninja Tune/Rough Trade) hat er überwiegend selbst eingespielt und auch selbst produziert - ein klares Statement künstlerischer Unabhängigkeit. Im Mittelpunkt der überwiegend sehr reduzierten Arrangements stehen Browns kraftvoll-kehliger Gesang und eine Gitarre, die er mit feinem Fingerpicking zum Leben erweckt.
In 39 Minuten breitet Grey Reverend zehn sensible Folk- und Blues-Songs aus, die das Genre naturgemäß nicht neu definieren, aber doch sehr vielversprechend der Referenzlinie Nick Drake/Elliott Smith/Ray Lamontagne/José González folgen. Höhepunkte dieses intensiven Albums sind die Ballade „The Payoff“, die von einem jazzigen Klavierpart des 2012 gestorbenen Reverend-Freundes Austin Peralta veredelt wird, und das schwebend leichte „Postcard“.
Zuguterletzt ein Singer/Songwriter-Album, auf dem Atmosphäre und Risikobereitschaft den Vorzug vor Wohlklang und stilistischer Geschlossenheit erhalten: „Nobody Knows“ (XL/Beggars/Indigo) von WILLIS EARL BEAL beginnt mit A-capella-Gesang wie eine archaische Gospel-Platte und kümmert sich auch in den anschließenden knapp 60 Minuten nicht weiter um modische Genres.
Immerhin: Nach dem LoFi-Debüt von 2012 leistet sich der farbige Sänger und Multi-Instrumentalist nun eine professionellere, aber immer noch recht raue Produktion. Beals beeindruckende Soul-Stimme (besonders schön in dem von Chan Marshall/Cat Power begleiteten „Coming Through“ oder in „Burning Bridges“) ist mindestens die halbe Miete in den oft düsteren, schmerzerfüllten Liedern eines Mannes, der es im Leben offenkundig nicht leicht hatte.
Hier und da fühlt man sich an schwarze Folk/Blues-Protestsänger wie Gil Scott-Heron oder Richie Havens erinnert. Aber insgesamt ist Beal ein erstaunlich eigenständiges Werk gelungen - von den drei empfohlenen herbstlichen Singer/Songwriter-Alben ist es gewiss das kompromissloseste.