Staatsoper Berlin spielt Revolutionsoper im Heizwerk
Berlin (dpa) - Die Hauptstadt feiert den Kommunismus - jedenfalls auf der Bühne. Ob der Regierende Bürgermeister und der Kulturstaatsminister, Schauspieler, Autoren und Verleger - sie zogen am Donnerstagabend zur Premiere der Revolutionsoper „Al gran sole carico d'amore“ in ein stillgelegtes Heizkraftwerk in Berlin-Mitte.
Die Ode des italienischen Komponisten Luigi Nono an fünf Heldinnen des Sozialismus, in den 1970er Jahren von Claudio Abbado uraufgeführt, wurde in dem Industriedenkmal als große Party gefeiert. In der Nachbarschaft des Techno-Clubs Tresor spendete das Publikum dem Spektakel freundlichen Applaus.
Nonos „szenische Aktion“ zeichnet die Geschichte des Kommunismus von der Pariser Kommune bis zum Vietnamkrieg nach, von der Barrikaden-Kämpferin Louise Michel bis zu Tania Bunke, der deutschen Gefährtin des Guerilleros Ernesto „Che“ Guevara. Nono (1924-1990) hatte dafür keine Oper im klassischen Sinn komponiert. Es gibt weder Personen noch traditionell gefertigte Szenen. Zitate von Marx und Lenin bis Brecht werden von den Solisten und dem Chor gesungen oder in den Saal gerufen - ein von Pathos gezeichnetes Klassenkampf-Potpourri.
Als er noch Intendant in Salzburg war, hatte Staatsopernchef Jürgen Flimm das Werk von der britischen Regisseurin Katie Mitchell inszenieren lassen. Nun holte er die Produktion nach Berlin, allerdings nicht in das Stammhaus der Staatsoper, das zur Zeit renoviert wird, noch in die Ausweichstätte im Schiller Theater, die für die Mammut-Inszenierung zu klein wäre, sondern in ein stillgelegtes Heizwerk zwischen Kreuzberg und der Spree. Für 250 000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds wurde die Halle für fünf Vorstellungen zum Opernhaus umgebaut.
Mitchell bebildert das Leben der Frauen parallel zum abstrakten Musikgeschehen. Aus Hotelzimmern und Küchen werden die Vorbereitungen zum Kampf für den Sozialismus live auf eine Riesenleinwand projiziert. Sie schreiben Briefe, verstecken Waffen, färben rote Fahnen oder schneiden Brot und blicken voll Sehnsucht aus dem Fenster - in dieser kurzen Geschichte des Kommunismus treten die Protagonistinnen vor allem als zweifelnde Hausfrauen auf.
Von der Leinwand geht aber auch ein Reiz aus. Mitchell verfremdet die Bilder zu historischen Filmen in Schwarz-Weiß und Sepia. Ob das dem Kommunisten Nono gefallen hätte? Seine monumentalen Musikfetzen verheißen nach dem Kampf „der Sonne entgegen“ eine helle Zukunft, die Zuschauer blicken aber auf die tote Materie eines Museums der Revolution. Tatsächlich lässt Mitchell die Requisiten immer wieder aus einer Vitrine hervorholen.
Ingo Metzmacher, der das Stück auch in Salzburg dirigiert hatte, steht an der Spitze eines Riesenensembles, in dem manche Instrumentengruppen doppelt und dreifach besetzt sind. Die teils ohrenbetäubenden Klänge Nonos füllen locker die riesige Maschinenhalle, in der auf einer Tribüne knapp 1000 Zuschauer Platz haben. Metzmacher meistert souverän die tückische Akustik des Betonbaus. Und Flimm beweist mal wieder einen guten Riecher für Events: Die restlichen vier Vorstellungen sind bereits ausverkauft.