Start mit kleinen Pannen: Grönemeyer beginnt Open-Air-Saison
Mainz (dpa) - Man könnte meinen, dass bei einem 60-Jährigen, der in seiner über 30-jährigen Karriere alles erreicht hat, gar nichts mehr schief gehen kann.
Der am 12. April 1956 in Göttingen geborene Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer zeigte beim Auftaktkonzert seiner Open-Air-Tournee: Auch ein Künstler seines Kalibers muss sich jeden Erfolg, auch den eines gelungenen Auftritts, hart erarbeiten.
„Ich muss mich noch ein bisschen einsingen“, sagt er nach einem der ersten von insgesamt weit über 20 Songs, die er am Donnerstagabend vor 17 000 Fans in der Abendsonne des Messeparks Mainz-Hechtsheim darbietet. Später meint er nach einem versemmelten Medley seiner Oldies: „Wenn euch bei dem Übergang eben etwas falsch vorkam, habt ihr völlig recht.“ Und gegen Ende der gut zweistündigen Show platzt ihm auch noch die Hose im Schritt: „Egal - ich glaube, von vorne sieht man es nicht“, reagiert er lässig. Erst zum ausführlichen Zugabenblock zieht er sich dann doch um.
Ansonsten bekommen die Fans, die zum Großteil ungefähr die gleiche Altersklasse wie die gefeierte Hauptfigur des Abends haben, das geboten, was sie wohl erwartet haben: Eine ausführliche und abwechslungsreiche, energie- und emotionsgeladene Reise durch alle Phasen Grönemeyers Karriere.
Der 60-Jährige ist mit Preisen überhäuft, auf Platz 1 in den Charts und ausverkaufte Konzerte abonniert. Er ist Musiker, Sänger, Komponist, aber auch Schauspieler, Produzent, Label-Betreiber, Nachwuchsförderer. „Dauernd Jetzt“ ist sein 14. Studioalbum.
Zugleich betritt Grönemeyer immer wieder neues Terrain, etwa im Bereich der Theatermusik. Und er sucht ständig neue Herausforderungen. In einem Interview zu seinem 60. Geburtstag erzählte er, dass er gerne noch ein Musical schreiben wolle. Zur bevorstehenden Fußball-EM hat er den Song „Jeder für Jeden“ mit dem jungen DJ Felix Jaehn produziert - und bei seinem Tourstart-Konzert erfolgreich live „ausprobiert“.
In seinem Konzertprogramm verzichtet Grönemeyer auf Experimente. Er spielt weitgehend die gleichen Songs in der gleichen Reihenfolge wie bei der gleichlautenden Hallentournee vergangenes Jahr.
Es ist eine geschickte Auswahl aus seinem riesigen Repertoire, voller Abwechslung zwischen emotionalen Balladen und den großen Mitsing- und Mitklatsch-Hymnen, zwischen Liedern aus frühen und frühesten Tagen der Karriere bis zu den neuesten Werken. Es sind Lieder aus dem Leben, über das Leben, für das Leben, es sind auch Lieder mit Haltung und klaren Statements.
Was die Lieder selbst nicht sagen, sagt Grönemeyer vorneweg: Es sei wichtig, Deutschland gegen Versuche zu verteidigen, es in die politisch rechte Ecke zu stellen. „Wir haben hier unglaubliche humanitäre Fähigkeiten. Lasst uns gegen jeden aufstehen, der versucht, dagegen anzupöbeln“, sagt er, bevor er „Unser Land“ anstimmt. Später appelliert er nochmal ebenso klar für Solidarität mit Flüchtlingen.
Grönemeyer, der fast unentwegt auf der 30 Meter breiten Bühne und dem weit in die Menge ragenden Laufsteg unterwegs ist, kann Party pur und Emotion pur. Komplette Stille herrscht auf dem weitläufigen Konzertgelände beim Lied „Der Weg“, das er für seine 1998 gestorbene Frau geschrieben hat. Man meinte, einen kollektiven Kloß im Hals zu spüren. Grönemeyer hält kurz inne, bedankt sich herzlich, sorgt dann aber schnell wieder für ausgelassene Stimmung. Immer wieder sucht er, soweit das bei Konzerten dieser räumlichen Dimensionen möglich ist, die Nähe zu seinen Fans. Bei „Alkohol“ verlässt er sogar die Bühne und lässt den einen oder anderen Fan in sein Mikrofon grölen.