Sting bricht Schreibblockade mit Werft-Musical
Berlin (dpa) - Nun also ein Musical: Sting (61) hat in den vergangenen Jahren Musik aus dem Mittelalter auf der Laute gespielt und ein Album mit alten Liedern über den Winter aufgenommen. Mit „The Last Ship“ folgt nun ein Bühnenstück über Schiffbauer in seiner Heimat bei Newcastle.
Ein Jahr vor der geplanten Broadway-Premiere erscheinen die Lieder zunächst als Album, von Sting selbst gesungen. Und es ist seine erste Sammlung neuer Songs seit zehn Jahren.
Denn im Herbst 2003, nach dem Album „Scared Love“, habe er festgestellt, dass er keine Lust mehr hatte, der bisherige Sting zu sein, bekannte der Musiker jüngst in Interviews. Weg war der „brennende Wunsch, Sachen auf Papier zu bringen“, sagte er der „New York Times“. Die „Nabelschau, Beichten und Besessenheit mit sich selbst“, die zum Songschreiben dazugehören, fand er nur noch ermüdend. Sting war da gerade 50, reich und bereit für etwas anderes.
Neben dem Erforschen alter Musik machte er Wein auf seinem Gut in der Toscana, tourte mit seiner wiederbelebten Band The Police und solo - nur neue Songs wollten nicht gelingen. Und dann stieß Sting auf eine Meldung über polnische Werftarbeiter, die ihren Betrieb besetzen wollten, damit er nicht schließt.
Die Geschichte traf einen Nerv: Sting wuchs auf in der kleinen Stadt Wallsend, eine seiner ersten Kindheitserinnerungen waren die gewaltigen Schiffsrümpfe in der Werft am Ende der Straße, die die kleinen Häuser überragten. Sein Großvater arbeitete dort. Nachdem Sting bereits in die große Welt ausgezogen war, blieb die Schiffbau-Tradition auf der Strecke im globalen Wettbewerb.
„The Last Ship“ ist ein Musical über Werftarbeiter, die in den 80er Jahren ihre Werft besetzen, um noch ein allerletztes Schiff zu bauen. Eine Geschichte über andere zu schreiben, habe ihn von der jahrelangen Schreibblockade geheilt, sagte Sting der „New York Times“: „Es öffnete die Schleusen, ich stand nicht mehr im Weg.“ Zusätzlich zum Werft-Drama gibt es einen Vater-Sohn-Konflikt und ein Liebes-Dreieck.
Es ist ein Album, auf das sich Sting-Fans erst einlassen müssen. „The Last Ship“ ist weit entfernt von dem Jazz-Rock, der ihn einst zum Weltstar gemacht hat. Es ist zuallererst ein Musical mit eingängigen bühnentauglichen Melodien, viel Walzer-Rhythmus, Melancholie, Streicher-Einlagen, Mundharmonika und traditionellen nordenglischen Klängen. Einen Vorgeschmack auf die Stimmung gab Sting bereits mit dem Album „Soul Cages“ vor mehr als 20 Jahren.
Die Erkenntnis von „The Last Ship“ ist aber auch: Der Mann kann immer noch Songs schreiben. Musical oder nicht, „And Yet“ ist Sting vom Feinsten, ein leichtfüßiger Song, in dem dissonante Akkorde in entspannten Cocktail-Jazz schneiden. „August Winds“ ist eine rührende Ballade und „Practical Arrangement“ ein beklemmender Hochzeitsantrag eines wohlhabenden Mannes, der sehr wohl weiß, dass seine Angebetete ihn nicht liebt.
Sting arbeitete mit zwei erfahrenen Bühnenautoren zusammen, die ihn mit harter Hand auf Musical-Kurs hielten. „Ich konnte einen Song schreiben, den ich für fantastisch hielt - und sie würden sagen: Nein, das passt nicht ins Stück, das bringt die Erzählung nicht weiter.“
Auch wenn das Musical den Songschreiber wiedererweckte, sollten sich Fans vorerst keine Hoffnung auf eine Rückkehr des alten Sting machen. Er plane nicht, wie früher Songs aus seinem Innenleben heraus zu komponieren, sagte er der „New York Times“. „Ich möchte das nicht. Ich würde lieber über andere Leute schreiben. Meine Mine ist ausgebeutet.“ Genauso hatte Sting allerdings vor zehn Jahren auch eine Wiedervereinigung von The Police abgetan - und machte es doch.
Und zumindest theoretisch denkt er auch über Chart-Erfolge nach. „Es ist unwahrscheinlich, dass ich jemals wieder einen großen Hit haben werde“, gab sich Sting zwar betont bescheiden im „New York Magazine“. Wenn aber, dann müsste es ein Lied sein, das aus der Reihe der üblichen Chart-Erfolge tanzt. „Ich würde wollen, dass es ein Song ist, der nicht den Formeln folgt.“