"The Boss" Bruce Springsteen liebt uns
Live: Der Boss und seine E-Steet-Band bescheren Freitagabend in Mönchengladbach ein unvergessliches Konzertereignis - gespickt mir Raritäten und Höhepunkten.
Mönchengladbach. Drei Frauen für Little Steven, ein Hase an der Gitarre, Heißluftballone am Horizont und die vermutlich größte Rock-Show der Saison: 37 000 Fans im nicht ganz ausverkauften Mönchengladbacher Stadion erleben Bruce Springsteen und seine E-Street-Band und ein unvergessliches Gastspiel am Niederrhein. Und wieder kein Konzert wie jedes andere. Dass Springsteen die Setlists von Show zu Show neu mischt, ist nicht neu.
Doch : Gab es überhaupt eine Setlist für den Borussiapark? Viel zu spontan wirkt es, wie Springsteen nach Schildern greift, seinen 14 Musikern neue Aufgaben stellt. "Habt Spaß!", wünscht er zu Anfang den Fans, seiner Band und wohl auch sich. Und den hat er. Wie er verschmitzt lächelt, verstohlen flirtet, albern giggelt - da ist ein 62-Jähriger, der die Bühne, den Auftritt, die Leidenschaft der Tramps - wie sich die Fans nennen - und die Musik verehrt. Er bietet Mönchengladbach ein außergewöhnliches Programm - 29 Songs, drei Stunden und sechs Minuten lang. Non stop. Und das ist vollgestopt mit Raritäten, Fanschätzen und reichlich Höhepunkten.
Schon der Auftakt ist eine Überraschung: "Jackson Cage" vom "River-Album", dem er das frenetische "My Love will not let you down" anschließt. Springsteen ist sofort da, fesselt und fasziniert. Er sammelt Schilder ein, erfüllt Wünsche. Der Borussiapark ist aus dem Häuschen. Mit dem rechten Zeigefinger lenkt er den Blick seiner Kollegen auf ein Pappschild vor der Bühne: "Point Blank", dieses düster-desillusionierende Stück aus den früher 1980ern. Roy Bittan lässt die Klaviertöne perlen. Steve van Zandt lässt seine Gitarre wimmern.
Zwei Heißlufballone über dem Stadion sind die farbige Kulisse. Springsteen raunt, spricht eher als dass er singt - ergreifend und verstörend. Überhaupt: Springsteen gönnt den Fans an diesem Abend viele seiner Facetten. Der Mann, der den Menschen aus deren hungrigen Herzen spricht. Der Mahner, der die Macht der Banken anprangert. Der Mann, der sein Mädchen liebt. Er ist der Nah- und Berührbare. Er ist ein großartiger Entertainer.
Die "Rosalita", die er mit Steve van Zandt loslässt, ist eine Spaßgranate. Tausende hüpfen und gröhlen. Der Boss kommt aus dem Lachen nicht mehr raus, als er aus dem Publikum drei weibliche Steve-Lookalikes mir Piraten-Outfit auf die Bühne holt. Nicht zu vergessen: Nils Lofgren, dessen manchmal scheinbar unspektakuläres Gitarrenspiel, von großem Wert für die E-Street-Band ist. An diesem Abend explodiert er.
Sein Solo zu "Because the Night" ist irr, ist rasant, ist brachial, ist hochlassig. Was soll der Abend noch alles bringen... Der Zugabenblock ist verlässlich hochkarätig. Der Borussiapark - hellerleuchtet - ist in Ausnahmestimmung. Und der Boss will Party, Party, Party - zum Beispiel mit einem im Hasenkostüm verkleideten Mädchen bei "Dancing in the Dark". Der Boss ist durchnässt. Und doch macht er keine Pause. Der Schweiß fließt durch das weiße T-Shirt. Fast drei Stunden rockt er schon - und zählt noch einmal an: "One, two, one, two, three, four..."
Mit John Fogertys "Rockin' all over the World", das Status Quo Weltruhm bescherte, macht er seine Tramps rasend. Springsteen reckt die Fender Gitarre in die Höhe - erschöpft und lächelnd. "Wir lieben Euch", sagt er. "Wir lieben Euch." Bei so einem Abend wird daran niemand zweifeln. Ein Blick in die Gesichter der Menschen räumt jeden Zweifel aus: strahlende Augen, lächelnde Münder - glücklich, ja selige Tramps. Springsteen und seine "hot rockin'n, history making, legendary E-Steet-Band" haben ihrem Mythos ein weiteres Kapitel hinzu gefügt.