Uraufführung von Helene Hegemanns „Musik“ in Köln
Köln (dpa) - Einen kleinen Skandal hatte das Publikum insgeheim wohl schon erwartet, als im Kölner Palladium der Vorhang hoch ging zur Uraufführung von „Musik“. Das ist die erste Oper, in der Helene Hegemann sowohl das Libretto als auch die Regie verantwortet.
Helene Hegemanns Name ist untrennbar mit dem Skandal verbunden, den die damals noch nicht 18-Jährige im Jahr 2010 mit ihrem Debütroman „Axolotl Roadkill“ auslöste. Sie spaltete die Literaturwelt in jene, die Hegemann für ein Schreibgenie - mit dem Kopieren als Stilmittel - und jene, die sie für eine freche Plagiatorin hielten.
Nun hat die mittlerweile 21-Jährige sich im Team mit der Dramaturgin Janine Ortiz und dem Komponisten Michael Langemann an ihr erstes Musiktheater gewagt. Und die Reaktion des Kölner Premierenpublikums war - abgesehen von Hegemanns lautstarker Groupie-Truppe - verhalten freundlich, um nicht zu sagen, kaum mehr als höflich.
Vorab hatten Hegemann und ihr Leitungsteam erklärt, man habe im bewussten Bezug auf Richard Wagner ein Gesamtkunstwerk schaffen wollen und mit ganz neuen und so noch nie kombinierten Formen experimentiert. 80 000 Euro Fördersumme waren dem Kultursekretariat NRW und der Kunststiftung NRW das Vertrauen aufs vage Konzept und Hegemanns vielseitige Begabung wert, um die Produktion an der Kölner Oper in der Ersatzspielstätte im Mülheimer Palladium zu ermöglichen.
Aber leider wurde es weder ein Skandal noch ein kühner, innovativer Wurf, sondern nur ein bieder langweiliger Abend mit einer unsinnlichen Regie. Dabei basiert „Musik“ - mit dem cool szenigen Untertitel „I make hits motherfucker“ - auf dem gleichnamigen Drama von Frank Wedekind von 1908, das ein schwüles, spätwilhelminisches Sittengemälde voller Drama und Eros ist. Aber Hegemann hat vom Urtext bestenfalls 20 Sätze stehen gelassen und füllt das oft auch gesprochene Libretto mit ironisch hysterischen Satz-Staccati.
Die Geschichte der zweifach von ihrem Gesangslehrer geschwängerten Klara, der Menage-à-trois mit ihm und dessen Gattin, der damals noch gesetzlich verbotenen Abtreibung nebst Gefängnisstrafe, erzählt Hegemann in Taubleau-artigen Szenen. Die Motivation der Figuren für ihre häufig hyperventilierenden Auftritte bleibt aber meist unklar. Suggestiv und eigenständig sind dagegen Kathrin Krottenthalers grobkörnige Videos, die Melancholie und Entfremdung ausdrücken.
Zusammen mit den sie unterfütternden Orchesterzwischenspielen summiert sich das zu den dichtesten Momenten des Abends, während auf der Bühne das Geschehen allzu oft stagniert. Tanzeinlagen halten zusätzlich auf, während den eigentlichen Puls des Abends Michael Langemanns spätromantisch, süffig gesetzter Orchesterpart bestimmt. Der reicht von Wagner über Schreker bis zur Minimal Music und Erinnerungen an Hitchcock-Soundtracks und lässt kaum einen effektvollen Stil aus. Auch die Gesangsstimmen sind überraschend konservativ geführt.
So ziehen sich, trotz glänzender Sängerleistungen - allen voran Gloria Rehm als leidende Gesangsschülerin Klara mit glasklarem Koloratursopran - die knapp zwei Stunden ziemlich lang dahin und das Drama lässt eigentümlich kalt.