Tournee US-Punkrock gegen Rassismus und Faschismus - und für die Liebe

Green Day bieten bei ihrem Konzert in der Kölner Lanxess Arena eine schweißtreibende Show mit politischen Statements.

Seit vergangenem Jahr auf Tournee durch die USA und Europa: die US-Band Green Day mit ihrem Frontmann Billie Joe Armstrong. (Archivfoto)

Foto: Roberto Finizio

Köln. Keiner konnte ahnen, dass es so weit kommen und die Sache so große werden würde. Wie auch? Als Green Day 1994 vor ein paar Dutzend Zuschauern in Läden wie dem, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, Autonomen Jugendzentrum am Bahndamm in Wermelskirchen spielten, da waren sie als schmuddelige, keinen Giftstoff verschmähende Jungspunde vom Superstarstatus in etwa so weit entfernt wie Donald Trump vom Amt des US-Präsidenten. 23 Jahre später hat Trump es geschafft — und Green Day sind die größte Punkband dieses Planeten. Und irgendwie sind die Schicksale des mächtigsten Mannes der Erde und der Kalifornier aus dem Rock-Olymp verknüpft an diesem Abend in der fast ausverkauften Kölner Lanxess-Arena.

Denn natürlich warten alle im Publikum auf diesen einen Song. Den, mit dem Green Day schon zur Amtszeit des George W. Bush lautstark zeigten, was sie von der Geld- und Bomben- und „America first“-Politik ihres Staatsoberhauptes hielten. „Don’t wanna be an American idiot!“ Nein: Sie möchten keine amerikanischen Idioten sein. Keiner Agenda von ultrakonservativen Rednecks folgen. Und auch wenn diese Zeilen erst im Zugabenteil folgen, als die Fans vor ihnen schon völlig fertig vom Tanzen und Sich-Gegenseitig-Anrempeln und Faust-Hochstrecken sind:

Green Days Auftritt ist ein Paradebeispiel dafür, wie man ein Punkkonzert vor nur knapp unter 20 000 Menschen geben muss, damit es auch ein Punkkonzert bleibt und nicht zur Pseudo-Chose mit schalem „Die haben sich dem Geld verschrieben“-Beigeschmack verkommt. Die Dramaturgie ist perfekt.

Sie basiert auf harmlos-famosen Hits wie „Basket Case“, „Longview“ oder „When I come around“, die aus uralten Zeiten im berühmten Gilman-Street-Club an der US-Westküste stammen, wo Green Day sich auf maroden Brettern mit ihren Instrumenten kämpfend hochgespielt haben. Und sie gründet auf ambitionierten Zeitgeist-Songs wie „Jesus Of Suburbia“, „Boulevard of broken dreams“ oder „Know your enemy“.

Diese Stücke, die eher Manifeste denn einfache Songs sind, zeigen, dass Frontmann Billy Joe Armstrong, Bassist Mike Dirnt und Schlagzeuger Tre Cool eben zu denen gehören, die ein Gewissen haben, das über den Gedanken an Dollars hinausgeht. Und überhaupt werden Green Day nicht müde, die Leute auf ihre Seite, die gute Seite zu ziehen: Armstrong schreit und keift gegen Faschismus und Rassismus. Gegen Trump. Gegen Grenzwälle. Gegen das Böse.

Und für die Liebe. Immer und immer wieder. Mal wie ein Giftzwerg auf die Gitarre eindreschend, während hinter ihm Feuerzungen lodern oder Konfettikanonen knallen. Mal wie ein Duracell-Hase mit Micky-Maus-Statur über die Bühne rennend und hopsend. Mal auf dem Boden kniend und liegend und die Leute auf den Widerstand gegen alles Übel einschwörend. Er holt Fans auf die Bühne, um sie an dieser den Schweiß aus den Poren treibenden Physis einer Show maximalmöglich teilhaben zu lassen und verschenkt dabei seine Gitarre und herzt und knuddelt die Glücklichen.

„Rock’n’Roll“, ruft er, „kann die Welt verändern!“ Daran glaube er bis zum Tag seines Todes. Und er hat recht. Denn Armstrong und seine Band tun gerade genau das: Rocken. Und die Welt für ein paar Zehntausend Menschen, von denen viele dem Alter nach einmal die Zukunft gestalten werden, besser machen. Green Day tun das als Vollprofis und Super-Entertainer, die trotz des Rummels und Erfolges strikte Punkrocker und Revoluzzer geblieben sind. Sie spielen besser, sehr viel besser, als zu Jugendzentrumszeiten. Aber die Typen von damals sind immer noch da.