Warpaint: Ein eleganter Schritt in Richtung Pop
Gut Ding will Weile haben: Bis zu ihrem Debüt ließen sich Warpaint sieben Jahre Zeit. Jetzt erschien das wichtige Zweitwerk.
Düsseldorf. Warpaint sind ein untypisches Phänomen im schnelllebigen Pop-Markt. Vom Szene-Tipp über die Charts bis hin zu einem jähen Ende vergeht für so mache Band nur ein halbes Jahrzehnt.
Das Tempo ist hoch, der Druck zu versagen enorm. Warpaint hingegen schreiten selbstbewusst und kontinuierlich voran, statt kopflos zu rennen. Hier begegnen einem vier Frauen Anfang 30, die eine Entwicklung hinter sich haben, die zu wissen scheinen, wo sie stehen — vor allem aber, wo sie hin wollen.
Gitarristin Theresa Wayman hat einen achtjährigen Sohn und ist derzeit die Freundin des englischen Musikers James Blake. Sie ist seit Beginn maßgeblich am Songwriting der Gruppe beteiligt. Bassistin Jenny Lee Lindberg ist die Schwester der Schauspielerin Shannyn Sossamon („Ritter aus Leidenschaft“).
Diese war ebenfalls Teil der Ursprungsbesetzung, stieg aber zugunsten ihrer Leinwandkarriere aus der Band aus. Seit 2009 füllt Stella Mozgawa ihren Platz am Schlagzeug aus. Komplettiert wird die Besetzung von Sängerin Emily Kokal. Während sich die übrigen Mitglieder den Background-Gesang teilen, übernimmt sie neben der zweiten Gitarre auch die Hauptstimme.
Das Quartett präsentiert sich gern als Gruppe auf Augenhöhe. Dem amerikanischen Magazin „Interview“ beschrieb Kokal den Entstehungsprozess der Musik von Warpaint entsprechend als gemeinsame Jam-Session: „Wenn wir dann alle in einem Raum spielen, fühlt es sich oft so an, als ob die Melodien die Texte vorgeben. Fast so, als würden sie Silben bilden. Das Gefühl für die Melodie kommt immer zuerst.“
Aller kollektiven Arbeitsweise zum Trotz ist Emily Kokal zentral für die Entwicklung von Warpaint. 2008 war es ihr damaliger Lebensgefährte John Frusciante, selbst erfolgreicher Musiker bei den Red Hot Chili Peppers, der die ersten Stücke der Band produzierte. Vier Jahre, nachdem sich Warpaint gegründet hatten, gab es mit der „Exquisite Corpse“-EP endlich eine erste Veröffentlichung. Die Band, bis dato nur unter Livemusik-Fans bekannt, wurde durch den Vertrieb der CD über einen renommierten lokalen Plattenladen schnell zum Stadtgespräch in Los Angeles.
Es folgten ganze zwei Jahre, in denen Warpaint weiter an ihrem Klang feilten, bis im Oktober 2010 schließlich das Debüt „The Fool“ erschien. Das Album sammelte in den USA und Europa euphorische Kritiken und machte Warpaint und ihren beinahe hypnotisch wirkenden Indie-Rock zu einem Szene-Tipp des Jahres.
Mit dem zweiten Album scheinen Emily Kokal und ihre Mitstreiterinnen nun reif, in die nächst höhere Liga aufzusteigen. Daher setzte man bei der Produktion auf ein Team aus anerkannten Spezialisten. Aufgenommen wurde mit dem Londoner Mark Ellis alias Flood, der als Toningenieur und Produzent bereits an legendären Alben wie U2s „Zooropa“ oder Depeche Modes „Violator“ beteiligt war. Für den finalen Mix übernahm Nigel Godrich den Platz an den Reglern. Der britische Produzent und Sounddesigner ist bekannt für seine wegweisenden Arbeiten mit der Band Radiohead.
Die Songs von Warpaint erhalten so einen raumfüllenden Klang, der selbst in den stillen, behutsamen Momenten — etwa der samtigen Mitternachtsmusik von „Drive“ oder „Teese“ — einen Hauch von großem Drama verströmt. Auch die beiden vorab im Internet veröffentlichten Stücke „Love Is To Die“ und „Biggy“ zeigen sich in einem akustischen Festgewand:
Die Synthie-Flächen schmiegen sich an warm gestimmte Gitarren, während bis zu vier Stimmen die Chöre übernehmen. Man spürt, dass Produzenten und Band hier eine gemeinsame Idee verfolgen und es geschafft haben, den Klang der Band in Richtung Pop zu öffnen, ohne den ihr eigenen melancholischen Charakter dabei zu opfern.
Bei der visuellen Umsetzung vertrauen Warpaint ebenfalls auf einen Spezialisten: Chris Cunningham. Der Videokünstler, der seit einigen Jahren mit Bassistin Lindberg verheiratet ist, machte sich durch die rasante Bildersprache in Musikvideos für Künstler wie den irischen Elektro-Innovator Aphex Twin einen Namen. Zusätzlich zum Cover produzierte Cunningham eine Multimedia-Dokumentation zu „Warpaint“, die im Zusammenhang mit dem Album veröffentlicht werden soll.
Warpaint vereinen große Ambitionen und eine fokussierte Vorgehensweise, um diese umzusetzen. Ihr zweites Album drückt Souveränität aus und präsentiert Indie-Pop von einer erwachsenen Eleganz.