„You and I“: Jeff Buckley wird wiederentdeckt

Berlin (dpa) - Mit einem einzigen, extravaganten Album sicherte sich Jeff Buckley seinen Platz in der Hall of Fame des Rock'n Roll. Vor 19 Jahren ertrank der US-Sänger bei einem abendlichen Schwimmausflug - jetzt bringt seine Plattenfirma wiederentdecktes Material heraus.

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Die Musikwelt gedenkt Jeff Buckleys (1966-1997) voller Bewunderung: Für Coldplay-Sänger Chris Martin ist er „so etwas wie ein Held“, das Magazin „Q“ nannte sein Leonard-Cohen-Cover „Hallelujah“ das beste je gemachte Stück. Das nach Buckleys Tod erschienene „Sketches For My Sweetheart The Drunk“ (1998) listete der „Telegraph“ unter den zehn besten posthum veröffentlichten Werken.

Der „Rolling Stone“ sah Buckley im Jahr 2008 gar auf Platz 39 der 100 größten Sänger aller Zeiten - vor Jim Morrison und Curt Cobain: „Sein Gesang ist eines der Anzeichen dafür, dass die Menschheit nicht nur schlecht und dass das Leben lebenswert ist. Und dafür, dass sie Schönheit und Glanz hervorbringen kann.“

Wenige, etwa „Guardian“-Kritikerin Jude Rogers, kratzen am Ruhm des Gitarristen, Sängers und Frauenschwarms Buckley, werfen ihm Kalkuliertheit und begrenzte Songschreiber-Fähigkeiten vor und bezweifeln, ob er es ohne seinen frühen Tod zu solchem Renommee gebracht hätte: „Dass alle ihn so unkritisch lieben, geht dann doch ein bisschen zu weit.“

Buckleys Lebensgeschichte jedenfalls gehört zu dem Tragischsten, was die jüngere Musikgeschichte zu bieten hat. Seinen Vater, in den 60er Jahren ein erfolgreicher Liedermacher, lernt der kleine Jeff kaum kennen: Songpoet Tim Buckley stirbt 1975 mit 28 Jahren an einer Überdosis Heroin. Sohn Jeff arbeitet sich ab den späten 80ern als Background-Sänger und Session-Musiker hoch, bis er Anfang der 90er einen Major-Plattenvertrag bekommt.

1994 erscheint das Studioalbum „Grace“, ein seltsam zeitloses Werk. Kritiker sehen in Buckleys Musik eine romantische Antithese zu Nirvana, gleichwohl ebenso geprägt von Melancholie und abgründiger Traurigkeit. Und, so meint man es heute herauszuhören, von Todesahnungen.

Gerade, als Jeff Buckleys Karriere abhebt - er tourt erfolgreich, bekommt Preise und arbeitet an neuem Material - endet sie jäh am 29. Mai 1997: Während er auf seine Band wartet, um sein Zweitwerk aufzunehmen, entschließt er sich, noch kurz in einem Seitenkanal des Mississippi schwimmen zu gehen. Seine Leiche wird eine Woche später gefunden, voll bekleidet. Anzeichen für Drogenkonsum gibt es nicht. Den Sterbeort hat Jeff Buckley mit Elvis Presley gemeinsam: Memphis, Tennessee.

Kürzlich, bei der Arbeit an einer Jubiläumsausgabe von „Grace“ ,so berichtet es Sony Music, wurde verloren geglaubtes Material aus dem Jahr 1993 in den Archiven wiederentdeckt. Mehr als zwei Jahrzehnte lang habe niemand die Bänder angehört. Entstanden ist das Album „You and I“ mit Coverversionen unter anderem von Bob Dylan („Just Like a Woman“), den Smiths, Led Zeppelin und zwei Originalstücken Buckleys, darunter eine frühe Version von „Grace“. Irgendwie zwischen Rock, Folk, Blues und Jazz schwebt das ganze. Buckley konnte sowas.

Ganz im Mittelpunkt steht seine erstaunliche Stimme, die vom ersten Augenblick an bannt, mit einem riesigen Tonumfang und schier unbegrenzten Ausdrucksmöglichkeiten. Mal klingt Buckley jugendlich frisch, mal wie vom Leben gezeichnet - ungewöhnlich für einen Sänger seines Alters.

Wenn er sich mit einem Cover beschäftige, so sagte Buckley es einmal, sei der Grund immer, „dass der Song etwas mit meinem Leben zu tun hat“. Tatsächlich singt er die fremden Songs mit größter Empathie und Hingabe, lässt die Atmosphäre eines Privatkonzerts entstehen, auch mit kurzen persönlichen Moderationen. Zeitweise klingt das Ganze etwas roh und unvollkommen, Fans dürften aber gerade das schätzen. „You and I“ - der Nachlass des enorm talentierten Sängers und Gitarristen Jeff Buckley, der nicht dazu kam, seine Kunst zu vervollkommnen.