Bilanz Zurück auf dem Boden - Kiddo Kat und die Karriere

Hamburg (dpa) - Der Hype ist lange vorbei, die Arbeit geht jetzt erst richtig los. Im Frühjahr hatte die Hamburger Musikerin Anna Guder einen echten Viral-Hit mit einem Musikvideo aus der Frankfurter S-Bahn.

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Weltweit klickten mehr als 80 Millionen Menschen das Video über Facebook und Youtube an. Was hat dieses Geschenk des Himmels mit der heute 26-Jährigen gemacht?

„Ich habe mehr Selbstvertrauen, treffe mehr Entscheidungen selber“, sagt die Wahl-Hamburgerin. „Wenn man bekannter wird, kommen viele Leute auf einen zu, die alles besser wissen: So musst du dich anziehen, so muss der nächste Song sein und so weiter.“ Früher sei sie dann schnell unsicher geworden. Jetzt treffe sie die Entscheidungen. Selbst von ihrer „Mama“ lasse sie sich in musikalischen Fragen nicht mehr reinreden. „Ich bin eben nicht mehr die Kleene.“

Die aus Berlin stammende Musikerin hatte im Frühjahr mit der südafrikanischen Musikerin Heidi Joubert und einem Zufalls-Mitwirkenden, dem Rapper Ozzy Lino aus Malta, in der Frankfurter S-Bahn eine Coverversion des Prince-Songs „Kiss“ gespielt. Das Video riss die Leute mit und ging um die Welt.

„Das Video war ein unfassbarer Glücksfall“, sagt Anna Guder, während sie im Café ihr Frühstücksmüsli löffelt. „Das gab Rückenwind und war ein Türöffner.“ Der große Unterschied sei, dass sie mit Karsten Jahnke eine Konzertagentur gefunden habe, die für konstante Präsenz auf den Bühnen sorge. Neben der Kurz-Tournee durch Deutschland im Juni trat sie mit ihrer Band als Vorgruppe von Künstlern wie Lucky Chops, SOJA und Jamie Lidell sowie bei Festivals auf.

Annas Promoter Hasko Witte kennt die Sängerin, Gitarristin (sie spielt auf einer kirschroten Gibson Flying V Gitarre) und Songwriterin seit zwei Jahren. „Die Bekanntheit durch das Video ist unbezahlbar.“ Er wisse aber auch, sagt der erfahrene Künstleragent, dass die meisten Menschen, die das Video aus der Bahn angeklickt haben, irgendwo in der Welt sind. „Anna hat aber hier in Deutschland ihr Publikum. Der Weg vom Sofa-Klick bis zum Besuch eines Konzerts ist sehr lang. Und die Kluft zwischen Online und realer Welt ist sehr tief.“

Auch Ben Mitha von der Konzertagentur Karsten Jahnke räumt ein, dass das Video helfe, Auftritte zu organisieren, aber: „Wir waren schon etwas überrascht, dass sich die 80 Millionen Klicks nicht unmittelbar auf die Ticketverkäufe ausgewirkt haben.“ Annas Konzerte seien zu 50 bis 70 Prozent ausgelastet gewesen, eine normale Quote für Newcomer. „Es ist gut, wenn man so einen viralen Hype hatte. Aber am Ende muss man wie Kiddo Kat sein Handwerk beherrschen und sich den Erfolg erarbeiten.“

Und möchte Anna ein Star werden? „Nein, nicht im klassischen Sinne. Es gibt ja viele Mädchen, die mit der Haarbürste als Mikro vor dem Spiegel stehen.“ Aber es sei nicht ihr Traum, nirgends mehr unerkannt hingehen zu können wie etwa Beyoncé. „Wenn ich dem "Fame" hinterherhecheln würde, hätte ich mich bei Casting-Shows beworben.“

„Ich hatte 2016 ziemlich viel Glück“, sagt das 169 Zentimeter große Energiebündel: Das Video, ihre Band-Kollegen, die Tournee. „Den ganzen Tag mit den Jungs in einem verpupsten Bus sitzen, das ist für mich auch Glück.“ Das sei wie eine lange Klassenfahrt. Und natürlich die Auftritte, die Rückmeldungen des Publikums.

Jetzt arbeitet die 26-Jährige an einem neuen Album. „Ich versuche in den Songs, meine vielen Erfahrungen aus diesem Jahr zu verarbeiten. Ein Titel wird auf jeden Fall "Growing Under Pressure" heißen. Der ist einfach so rausgepurzelt.“ Das Album finanziert sie per Crowdfunding, ihr Bekanntheitsgrad durch das Video war dabei natürlich hilfreich.

So locker Anna Guder wirkt, so spürt sie doch die Erwartungen an sie, die der Video-Clip geweckt hat. „Bei einem x-beliebigen Newcomer wäre die Fallhöhe viel geringer“, sagt Hasko Witte. „Da ist jetzt schon gehöriger Druck dahinter.“