Museum Kunstpalast Picasso und Warhol eifern Cranach nach

Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt den Maler nicht nur als PR-Mann für Luther, sondern als Inspirator der Moderne.

Lucas Cranach der Ältere (links) zeigt „Judith mit dem Haupt des Holofernes“, das Schwert hält sie in ihrer Rechten. Pablo Picasso lässt in „Venus und Amor“ den Liebesgott einen Pfeil zur üppigen Venus schicken, den sie abzuwehren versucht. Fotos: bpk/Metropolitan Mus. of Art/Volker Naumann, Sammlung Würth

Düsseldorf. Mit einem Paukenschlag begleitet das Museum Kunstpalast das Luther-Jahr in einer großen Retrospektive zu Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553). Dabei arbeitet der Kurator Gunnar Heydenreich, der zugleich Begründer des digitalen Cranach-Archivs ist, seine jüngsten Forschungsergebnisse mit Hilfe der Infrarotreflektografie ein. Weil dieses technische Auge bis zu den Unterzeichnungen der Gemälde dringt, kann der Fachmann gleichsam den obersten Richter spielen und für Neuzuschreibungen oder Abschreibungen sorgen. Endlich kommt auf diese Weise System in den Wust der Zuschreibungen zu Cranach, seiner Werkstatt und seinen Kopisten. 1600 Gemälde hat er weltweit erschlossen, die schönsten zeigt er nun in Düsseldorf.

Foto: bpk/Metropolitan Mus. of Art/Volker Naumann, Sammlung Würth

Den Auftakt macht Cranachs Selbstbildnis von 1531. Der Bürgermeister, Werkstattleiter und Apotheker hebt sein wohlgenährtes Gesicht vom braunen Hintergrund ab, während die Augen den Blickkontakt des Betrachters suchen. Dennoch gibt dieses Bildnis nichts her, das auf Cranachs Anfänge deuten könnte. „Cranach taucht aus dem Nichts auf. Er ging möglicherweise in Nürnberg in die Werkstatt von Dürer, bevor er ab 1502 in Wien zum Befreiungsschlag ausholte“, erzählt Heydenreich. 1505 holt ihn Friedrich der Weise als Hofmaler in die Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg.

Foto: bpk/Metropolitan Mus. of Art/Volker Naumann, Sammlung Würth

Drei clevere Leute begegnen sich dort, Luther, Cranach und der Kurfürst. Sie nutzen und bestimmen den enormen Aufbruch in die Neuzeit, die die Reformation mit sich bringt. Friedrich der Weise, der auf florierende Silberminen im Erzgebirge zurückgreifen kann, ist daran interessiert, dass mit dem Ablasshandel nicht das viele Geld nach Rom fließt.

Lucas Cranach übernimmt die kreative Rolle. Ihn einseitig als PR-Lokomotive von Luther zu betrachten, ist zu kurz gegriffen. Mit Cranach nabelt sich die deutsche Renaissance von den italienischen Vorbildern ab. Im Wettstreit mit Albrecht Dürer ist Cranach der Modernere. Seine lebensgroße Eva von 1508 ist keine antike Venus mehr. Sie hat längst in den Apfel gebissen, ist eine Frau nach dem Sündenfall.

Der Wortmächtigkeit Luthers steht die Bildmächtigkeit Cranachs in nichts nach. Er ist das Ausnahmetalent als Bildnismaler. Sein bärtiger Mann mit den willensstarken Gesichtszügen, sein verträumter Markgraf von Brandenburg, sein beredtes Bildnis König Ferdinands, seine Galerie der starken Frauen — all dies geht weit über das Thema der Reformation hinaus. Einer höfischen Dame setzt er einen kecken, großen Tellerhut auf, als solle hier ein Heiligenschein persifliert werden. Die unbekannte Schöne trägt so viele bravourös gemalte Metallketten, dass sie darunter zusammenbrechen müsste.

Cranach liefert das humanistische Menschenbild, aber er schreckt auch vor erotischen Themen nicht zurück, wenn er die vielen Faunen-Familien präsentiert oder Christus geradezu liebevoll den Arm der Ehebrecherin streicheln lässt.

Diese Gabe, Bilder als Augenweide zu präsentieren, wird von Kunsthistorikern anfangs eher kritisch betrachtet. Sie sehen lange Zeit ihr Ideal im einsamen Albrecht Dürer, der nach antiken Vorbildern seine Menschen erschafft. Die Maler der Moderne hingegen huldigen dem Genie aus Wittenberg. Dies macht Museumschef Beat Wismer im zweiten Teil der Ausstellung deutlich.

Maler und Fotografen, Konzeptkünstler und Vertreter der Postmoderne lassen sich vor allem vom ersten Aktmaler nördlich der Alpen inspirieren. Das gilt vor allem für Picasso, der das erotische Thema in der letzten Phase seines Lebens existenziell begreift. Er war 87 Jahre alt, als sein Hochformat „Venus und die Liebe“ als Paraphrase auf Cranachs „Venus und Cupido“entsteht. Die Brüste der Liebesgöttin ufern aus, während ihre rechte Hand versucht, den phallusartigen Pfeil von Amor aufzuhalten. Souverän karikiert der Spanier in derlei Werken seine eigene Situation an der Seite der jungen Jacqueline.

Die größte Affinität zu Cranach hat Warhol, der wie sein Vorbild eine wirtschaftlich orientierte Kunstpraxis betrieb. Die schöne Hutträgerin hat es ihm angetan. Sie strahlt in den neuen Farben, die Cranach noch nicht kennen konnte. Aus der Hofdame macht er einen Superstar der 1980er Jahre.

Ob Venus, Diana oder Maria — Cranachs Menschen-Darstellungen haben einen hohen Wiedererkennungswert. Beinahe eine Lachnummer ist das, was Leila Pazooki daraus macht. Sie lud in einem Wettbewerb hundert chinesische Maler ein, Cranachs „Justitia“ zu kopieren. Es wurde eine wandfüllende Arbeit daraus.