Macht und Mode Waffen und Haute Couture der Renaissance in Dresden
Dresden (dpa) - Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585-1656) konnte sich in sein Reich hüllen, wann immer er wollte. Im kreisrunden Radmantel seines Landschaftskleids stand er quasi mittendrin.
Seine Mutter, Kurfürstin-Witwe Sophie, schenkte ihm das handbestickte Gewand aus meergrüner Seide 1611 zu Weihnachten - mit einer Botschaft zum Regierungsantritt: „Hier hast Du dein Erbe, mach was draus, beschütze es, mehre es“, wie die Oberkonservatorin der Dresdner Rüstkammer, Jutta Charlotte von Bloh, sagt.
Das aus Wams, Hose, Hut und Mantel bestehende Ensemble ist einer der Höhepunkte zweier neuer Präsentationen im Residenzschloss, die von Sonntag (9. April) an für das Publikum zugänglich sind: „Auf dem Weg zur Fürstenmacht“ und „Kurfürstliche Garderobe“. Dort sind 990 Objekte versammelt - von Prunkwaffen bis zu Prachtkleidern. Damit ist zugleich der Renaissanceflügel des Schlosses vollendet, in dem nun die höfische Selbstdarstellung dieser Epoche erlebbar wird. „Es ist ein wichtiger Teil der sächsischen und europäischen Geschichte“, sagt Rüstkammer-Direktor Dirk Syndram.
In einem Saal ist der weltweit größte Schatz an Prunkwaffen der Reformationszeit und des frühen Barock erstmals zusammengeführt. Dabei konnten die Kuratoren aus dem Vollen schöpfen, eine Vitrine ist allein mit 200 Exponaten bestückt: Hellebarden, Harnische, Degen, Helme. „Das ist die Garde, die hier waffenklirrend aufzieht“, sagt Syndram. Dabei besticht nicht nur die Schönheit der Waffen. „Wir wissen auch, wem sie gehört haben, manchmal wann sie gekommen sind, was sie gekostet haben, wann sie benutzt worden sind.“
Zu sehen sind goldene Degen, mit Edelsteinen besetzte Dolche, die Kurschwerter von 1423, 1548 und 1566, aus Elfenbein geschnitzte Schäfte, die Hauswehr von Martin Luther und die Friesenkette, mit der Heinrich der Fromme - damals Gouverneur in Friesland - aufgeknüpft werden sollte.
Prachtvolle Gewänder in den folgenden Räumen zeugen davon, dass die Schneider am sächsischen Hof den Couturiers der Gegenwart in Paris oder Mailand in nichts nachstanden, meint Syndram. Um die spanische und italienische Mode zu adaptieren, verarbeiteten sie luxuriöse Stoffe im Lagen- und Destroyed-Look, machten sie mit Schulterflügeln oder Zierknoten noch prachtvoller. Von 27 erhaltenen Gewändern sind 13 opulent inszeniert - genähte Lederstrümpfe, voluminöse Pumphosen, schimmernde Hemden und Röcke aus Seide, Gold und Silber inklusive.
Das kuriosestes Stück ist eine aus Seide gestrickte „Hotpants“ mit Schamkapsel, eine Art „Must have“ in diesen Kreisen, das teuerste Gewand ein Prunkkleid aus von Goldfäden durchzogener Seide. Pracht und Prunk der Garderobe steigern sich vom Mantel des Calatrava-Ordens über Gewänder, die Kurfürsten sich für Treffen beim Kaiser auf den Leib schneidern ließen bis zu luxuriösen Roben.
Von protestantischer Bescheidenheit keine Spur: Seide, Goldgespinst, Pelze - verwendet wurden nur die feinsten und besten Materialien. Das ging auch mit Innovationen einher, sagt Oberkonservatorin von Bloh. „Kurfürst August wollte alles in der Qualität und aus eigenen Ressourcen herstellen können wie der französische Königshof.“ Von ihm sei auch der Impuls zur Aufbewahrung der Kleidung ausgegangen. Die „Kurfürstliche Schneiderei“ war Teil des Staatsschatzes, auch die Stabilität der Regierung, Kontrolle und Ordnung über Generationen und nicht zuletzt ihre Qualität halfen, dass die Gewänder die Zeit überdauerten.
Zu den Kostbarkeiten gehört das Bräutigamsgewand von Kurfürst August, in dem er 1548 die Tochter des dänischen Königs heiratete - aus weißer Seide und Silberdraht. Über eine Rute gezogene Goldfäden schufen ein broschiertes Granatapfelmuster mit 3D-Effekt. Damals „purer Luxus“: aus Seide gestrickte Strümpfe aus Spanien. Auch in der Mode waren die Fürsten Trendsetter. Oberhose und Strümpfe wurden getrennt, um den Körper der Fürsten auszustellen. „Es ging um Eleganz und Haltung, hatte auch eine erotische Komponente“, erzählt von Bloh.
Um den Körper ihrer Herren zu stilisieren, bedienten sich die Schneider auch der Schichtung von Kleidung etwa mit voluminösen Zwischenhosen, die in die formgebende Hose hineingeknüllt wurden, oder Schlitzen, aus denen andere Stoffe hervorblitzten. Nähte verlängerten Oberkörper und Beine optisch, schmälerten Hüften, Wattierungen schafften Volumen, Schnürchenstickerei Opulenz und Muster Spiegelungseffekte.
Die handwerkliche Meisterschaft zeigt sich auch in der Stickerei auf Wams, Hose und Hut des Landschaftskleides: Elb- und fremde Landschaften, Bauten und Menschen, Schiffe auf See, Unwetter und Schiffsunglücke, wilde Tiere und Seeungeheuer. Faszinierend für Direktor Syndram: „Das sind genau die Motive aus Shakespeares 'Der Sturm', das im gleichen Jahr erschien.“