Eindrucksvolle Sänger, überladene Regie: Die Oper Hérodiade“ feiert in Düsseldorf Premiere Liebesdrama mit Pomp und Prunk
DÜSSELDORF · „Salome“ von Richard Strauss kennt jeder Opernliebhaber. Die legendäre biblische Geschichte, über die Gustave Flaubert eine Novelle verfasste, dreht sich um Salomé, Tochter der Königin Hérodias.
In einem Geniestreich verwandelte Strauss 1905 die Vorlage in spannendes, flirrendes Musiktheater. Das launische, bösartige Mädchen liebt Johannes den Täufer so sehr, dass sie seine Abfuhr nicht erträgt und dem Propheten den Kopf abschlagen lässt. So bei Strauss.
Um eine ähnliche Tragödie um Liebe, Eifersucht und Rache geht es auch in der Oper „Hérodiade“ von Jules Massenet (nach dem Libretto von Paul Milliet und Henri Grémont). In diesem Opus finden Salomé und Jean (Johannes) am Ende über Umwege zur wahren Liebe, die aber für beide tödlich endet. Für ihn auf dem elektrischen Stuhl, für sie per Selbsttötung mit Pistole. Zumindest in Düsseldorf. Die Oper in vier Akten führt zwar ein Schattendasein in Spielplänen, kann musikalisch kaum mit Strauss konkurrieren, feierte aber jetzt in der Rheinoper Premiere. Nach mehr als drei langen Stunden: artiger, matter Applaus, Bravi für die Sänger und Buhrufe für das Regieteam.
Das ausgegrabene Werk, das durch schwelgerischen Massenet-Sound, wenige, aber innigliche Duette (ohne Ohrwürmer) und gewaltige Chorszenen besticht, wurde kürzlich in Berlin konzertant aufgeführt. In Düsseldorf blendet die Aufführung durch prachtvollen Pomp (Bühne: Paul Zoller) und ein überbordendes, manchmal karnevalistisches Kostümfest (Katharina Gault), das nicht selten unfreiwillig komisch wirkt.
Das alles folgt Lorenzo Fioronis seltsam aufgedunsener Regie: Er mixt Paris-Klischee mit orientalischer Exotik und Pseudo-Erotik, Tabledance inklusive, und er kombiniert Pariser Filmszenen mit Live-Bühne. Da landet eine feine Gesellschaft in wehenden Belle-Époque-Kleidern in Jerusalem und verirrt sich, eingehüllt in Staubwolken, auf archaischen Ausgrabungs-Stätten. Auf der Leinwand sieht man indes, wie ein Herr Herodes in Frack, Zylinder und Gamaschen durch Paris wandelt. Im Louvre entdeckt Monsieur ein Nazarener-Bild von zwei Schleiertänzerinnen in orientalischem Look. Sollen vermutlich Herodias und Salomé darstellen. Ein vielversprechender Einstieg, dem der Regisseur nicht folgt und stattdessen den Zuschauer durch permanenten Kostüm- und Ortswechsel ablenkt.
Mit Rucksack und in Tramper-Kluft sucht Salomé den Propheten Jean. Trifft aber auf einen Sternengucker Phanuel, der, in der Kluft eines Penners, sich immer wieder einmischt. Dann treffen sich die Liebenden: Ihre leidenschaftlichen Schwüre gehören sicherlich zu den starken Momenten des Abends. Der leuchtende, schlankgeführte und dennoch warme Sopran von Luiza Fatyol (Salomé) bringt die Facetten dieser Figur zur Geltung. Schade, dass sie durch einen Unfall einen Arm in der Schiene trug, nur von der Seite aus sang und Regie-Assistentin Lotte Zuther an ihrer statt auf der Bühne agierte. Eine Entdeckung ist der lyrisch heldische Tenor von Sébastien Guèze. Leicht und sicher klingt der französische Sänger in den hohen Registern, er brilliert und überrascht mit leichtmetallischer Kraft.
Den Protagonisten Herodes und Herodias zuzuhören, bereitet Vergnügen. Ramona Zaharia mit ihrem opulent aufdrehenden Mezzosopran bietet als eifersüchtige Megäre (über)großes Kino. Und Bogdan Baciu zeichnet als kantiger, metallischer Bassbariton ein Porträt von König Herodes: Er ist blind verknallt in Salomé und trifft sich mit ihr im „Train Bleu“.
Der Regie gefällt dieser luxuriöse Wartesaal erster Klasse im goldstrotzenden Jugendstil des Gare de Lyon, der bis heute Paris-Touristen begeistert. Als aufwendige Videoprojektion ist er ein Beispiel für eine überladene Inszenierung, die leider die leisen, lyrischen Stellen zukleistert. Einen schwärmerischen Massenet-Sound und Klangfarbenpracht entfachen indes die Symphoniker unter Sébastien Rouland. Nicht weniger trägt der Testosteron gesteuerte, betont prahlende und auftrumpfende Opernchor durch den Abend.