Interview Frau Jahnke lädt ein
Die Kabarettistin Gerburg Jahnke gastiert im Mai in Wuppertal. Im Interview spricht sie unter anderem über das Programm und „ihre Männer“.
Frau Jahnke hat eingeladen – grundsätzlich spannende Gäste und bislang immer Frauen. Jetzt sind die Männer dran. Gab es einen speziellen Grund für die Entscheidung? Oder war es Zufall, dass bislang Frauen zu Gast waren?
Gerburg Jahnke: Nein, das war ganz sicher kein Zufall. Eher ist das mit den Jungs jetzt ein Zufall. Ich habe mir überlegt, dass ich gern einmal mit Männern auf die Bühne gehen würde. Bislang hatte ich nur Gästinnen.
Sie touren mit Wilfried Schmickler, Fritz Eckenga und Stoppok. Was schätzen Sie besonders an diesen Kollegen?
Jahnke: Ich habe natürlich Männer angesprochen, die ich toll finde. Interessanterweise sind wir alle gleich alt. Auch ein Zufall. Ich habe mich total gefreut, dass alle zugesagt haben. Zunächst hatten sie ein bisschen Angst – „Was wird Gerburg mit uns machen?“ Aber nach den ersten Auftritten hat sich die Angst ganz schnell in Luft aufgelöst. Nachdem Herbert Knebel in diesem Jahr keine Zeit hatte, habe ich Stoppok angesprochen. Er bringt mit seinen Ruhrgebietssongs mein Herz zum Schmelzen. Die machen mich fassungslos vor Gefühlen. Ich habe ihm für die Abende schon meine Wunschliste geschickt und hoffe, dass er sie erfüllt. Fritz Eckenga. Dortmund. Er ist ebenso ein echtes Unikat mit seinen Gedichten. Und Wilfried Schmickler? Der letzte verbliebene Kabarettist, der uns die Welt und ihre Zustände erklären kann. Das macht ja sonst keiner mehr. In diesem Jahr stehen wir viermal zusammen auf der Bühne und ich hoffe, dass wir das auch im nächsten Jahr machen.
Wie läuft eine solche Einladung bei Frau Jahnke ab?
Jahnke: Ganz klassisch. Ich bin die Gastgeberin, die Herren sind meine Gäste. Ich mache vorher einen Plan, wie viel Zeit jeder hat. Bei manchen Künstlerinnen habe ich die Programme auch aufgeteilt. Dann wiederum hatte ich Gästinnen, bei denen das nicht so gut ging. Die bekommen dann ein eigenes 20-Minuten-Segment. Für die Zuschauerinnen reiht sich so eine Überraschung an die andere. Zwischendurch komme ich dran. Natürlich muss ich mir immer etwas Neues ausdenken, die Leute sollen ja keine gebrauchten Geschichten hören. Ich sage meine Kolleginnen gern an, manchmal mit „Fake News“. Ob ich das jetzt auch mit den Männern mache, weiß ich noch nicht. Das wird sich aus der Situation heraus ergeben. Schön finde ich, dass sich bei meinen Einladungen die Möglichkeit bietet, beispielsweise mit Musikerinnen ein Crossover zu machen. Oder Lesungen mit Lyrikerinnen.
Sie sind ein Kind des Ruhrgebiets – und seit 2004 auch ausgezeichnete „Bürgerin des Ruhrgebiets“. Agieren Sie bei Auftritten im „Pott“ und der näheren Region anders, als bei Auftritten beispielsweise in Berlin oder München?
Jahnke: Nein, das nicht. Natürlich rede ich übers Ruhrgebiet, wenn es zum Programm passt. In großen, reichen Städten können sich die Menschen kaum vorstellen, was es heißt, Kultur in einer ärmeren Gegend zu machen. Die freie Kultur ist im Ruhrgebiet schon in einer schwierigen Situation. Und unabhängig vom Thema „Ruhrgebiet“ unterscheiden sich die Auftrittsorte schon. Je nach Stadt, Region oder Land gibt es ganz verschiedene Stimmungen im Saal.
Bereits 2016 haben Sie den Prix Pantheon in der Kategorie „Reif & Bekloppt“ erhalten. Ein Sonderpreis, der fürs Lebenswerk verliehen wird. Denkt man in solchen Situationen über das eigene Lebenswerk nach? Oder darüber, wie sich die eigene Arbeit verändert hat?
Jahnke: Ein Preis fürs Lebenswerk ist ein Zeichen, dass man die Preise nicht mehr für etwas anderes bekommt. Aber das ist für mich ok. Ich habe ja das Alter. Und natürlich verändern sich Arbeit und eigene Wahrnehmung. Ich habe überlegt, dass ich auf der Bühne jetzt gern über Altersdiskriminierung reden würde. Das passt. Auf der Bühne stehen schließlich vier alte Leute. Ich beobachte natürlich die Branche und habe festgestellt, dass viele junge Comediennes über ihre Brüste und Menstruation sprechen. Könnte ich das auch machen? Meine Brüste sind privat und an die Menstruation kann ich mich nicht mehr erinnern. An die Wechseljahre übrigens auch nicht. Und man fragt sich, warum die jungen Frauen darüber sprechen? Provokation? Feminismus? Schlicht Offenheit? Ich selbst habe in letzter Zeit viel über Sexualität bei Tieren gesprochen. Während der Pandemie hatte ich Zeit, sie in meinem Garten dabei zu beobachten. Ansonsten ist Sex eher kein Thema mehr auf der Bühne. Auch ein Zeichen der sich verändernden Themen.
Zu Beginn Ihrer Karriere Straßentheater, später Moderation in TV und Radio, Schauspiel, Regie, Kabarett, Autorin und seit einigen Jahren auch einen Podcast. Gibt es etwas in Ihrer Karriere, dass Sie unbedingt noch machen möchten – oder haben Sie alles erlebt?
Jahnke: Im vergangenen Jahr habe ich eine Rolle in einem ZDF-Film übernommen, der in diesem Herbst ausgestrahlt wird. Ich hatte eine sehr spannende Hauptrolle, eine Frau in meinem Alter, beziehungsweise noch ein bisschen älter. Es ist eine Komödie, aber meine Rolle ist ernst. Die männliche Hauptrolle hat Eugene Boateng übernommen. Wir haben uns super verstanden. Ich bin sehr gespannt auf den Film und könnte mir vorstellen, das wieder zu machen, wenn es eine schöne Rolle ist. Im Herbst werde ich außerdem am Theater Oberhausen ein Stück schreiben und inszenieren. So etwas genieße ich sehr – dass man mir solche Dinge zutraut und Aufträge dafür gibt. Das darf gern so weitergehen.