Premiere von "Coriolan" in Düsseldorf Tragödie um Kriegsheld Coriolan wird zur Farce
Düsseldorf · „Coriolan“ – das selten gespielte Alterswerk Shakespeares feierte im Düsseldorfer Central Premiere.
. „Muttersöhnchen“ und „Du arrogantes Schwein“ – so, wie Aufidius, Feldherr der Volsker, den mächtigen Konkurrenten und Tyrannen aus Rom, Caius Martius „Coriolanus“, beschimpft, so entlarvt sich dieser Titel-Antiheld von Shakespeares letzter Tragödie im Laufe von langen dreieinhalb Theaterstunden. Beide tragen in der Inszenierung von Tilmann Köhler im Düsseldorfer Central Pappnasen. Denn Köhler sieht in dem „Coriolan“ von 1608 nicht nur einen brandaktuellen Thriller um Krieg und Populismus, Macht und Intrige.
Er setzt noch einen drauf: „Clowns und Entertainer wählen wir zu Präsidenten“, schreibt der 40-jährige Regisseur im Programmheft. Und macht aus dem Polit-Thriller von vor 400 Jahren eine Clownerie und deftig karnevaleske Tragödie. Kamelle-Werfen inklusive. Schrill und knallbunt, grotesk und streckenweise mit lautem Grölen und Stakkoto-Rufen kommen die Schauspieler über die Rampe. Frauenrollen wie Coriolans Mutter und Frau werden – wie zur Shakespeare-Zeit üblich – von Männern dargestellt.
Stichwort Pappnasen: Die Römer tragen rote, die verfeindeten Volsker blaue. In einigen Szenen drängt sich der Vergleich mit zwei rivalisierenden Karnevalsvereinen auf. Passt ja zu Düsseldorf, denkt man. Irritierend auch: Alle Figuren sind so grell (über-)geschminkt und wie jecke Clowns kostümiert (Kostüme: Susanne Uhl), dass man sich nur langsam in der Personnage des Stücks zurechtfindet.
Als Lehrstück über Volksverführung und Volksverhetzung, Demagogie und Manipulation durch Volkstribune und erfolgreiche Militärführer könnte man das Drama Shakespeares (in Anlehnung an den antiken Autor Plutarch) verstehen. Ob dieses (wenig heitere) Sujet am besten mit ‚jecken’ watschelnden Figuren und als Comedy im Trippelschritt zu stemmen ist, bleibt fraglich. Zu einfach macht man es dem Publikum, auf Distanz zu gehen – besonders zur tragischen Figur Coriolan. Machtmenschen wie er lassen sich nicht nur als albern abtun, gefährlich sind sie allemal.
Die Aufführung startet in einem holzgetäfelten Rechteck. Aus einem kreisrunden Loch fährt eine Lichtanlage heraus, man fühlt sich wie in einem OP-Saal. Aus dem Erdloch krabbeln die Narren heraus, hüpfen später wieder hinein: Feldherr Coriolan, der gerne zum Konsul gewählt werden will, seine Mutter, Frau und Freunde. Ebenso wie seine Gegner: die Volkstribune Brutus und Sicinius.
Erklärte Gegner von Coriolan sind die beiden Volkstribune, die das Volk gegen den selbstherrlichen Feldherrn aufwiegeln, davor warnen, dass, wenn er einmal Konsul wäre, die Demokratie abschaffen und eine unumschränkte Alleinherrschaft (Tyrannis) errichten würde. Mit Schlagworten und skandierenden Rufen entlädt das Volk seinen Zorn. Anfangs verhält sich Coriolan artig, schwingt Fähnchen, wirft Kammellen ins Publikum und lässt sich in Feldherrnpose feiern. Doch sobald er mit Freunden allein ist, entlarvt er seine Verachtung für die „dumpfe Volksmasse“, die gerade noch so liebreizend umworben hat.
Die Inszenierung folgt Coriolans Stationen. Sie erzählt von der Verbannung des potenziellen Tyrannen, seine Flucht zu den früheren Feinden und: Coriolan paktiert mit ihnen gegen Rom, will sich an dem Volk, das ihn verstoßen hat, rächen. Überspitzt wirkt die homoerotische Annäherung der beiden Feinde: Coriolan und Aufidius liegen sich halbnackt und eng umschlungen in den Armen und küssen sich. „Seltsame Wendung“ kommentieren das die blauen Pappnasen. Nicht weniger überraschend die erneute Kehrtwende Coriolans: Als seine Frau, seine Mutter und sein Sohn ihn an der Front besuchen und um Schonung bitten, wird der eh schon weiche Coriolan noch weicher und will plötzlich Frieden schließen. Eine Entscheidung, die seine Ermordung unausweichlich erscheinen lässt.
Coriolan hat eher softe
und unsichere Züge
Eher als softer, nachgiebiger, unsicherer Typ, wenn auch aggressiv und zu Zornesausbrüchen und sprühender Arroganz fähig – so tritt André Kaczmarczyk als Coriolan auf. Der Mime gibt nicht den strahlenden Konsul, sondern bleibt jungenhafter Grübler und Zweifler. Und mutiert im Finale, nur noch im zerzausten Unterhemd, zum Märtyrer. Jetzt ohne Pappnase.
Glenn Goltz macht gute Figur als vermittelnder Cominius, wie auch Rainer Philippi als Senator und treuer Freund Coriolans. Sebastian Tessenow und Florian Lange überzeugen als windige, aufwiegelnde Volkstribune, die nur an der Erhaltung ihrer eigenen Macht arbeiten.
Fazit: Schauspielerisch mehr als überzeugend, die Clownerien können im ersten Teil auf die Nerven gehen. Der zweite Teil gewinnt an Tiefe. Viel Applaus.