Strahlkraft des Hier und Jetzt
Dem Düsseldorfer Ballett ist ein eindrucksvoller Abend gelungen. Fünf Stücke zeigen, was zeitgenössischer Tanz zu bieten hat.
Düsseldorf. Martin Schläpfer schwelgt in Gegensätzen. Der Ballettdirektor der Rheinoper ist ein Architekt ergiebiger Abende, die abwechslungsreich sind und die Formenvielfalt von Musik und Tanz ausloten. Zuletzt entzückte der Schweizer das Publikum durch eine Hommage an die Altmeister des Balletts mit Romantik. Mit einem neuen Abend öffnet er nun den Blick für das Hier und Jetzt.
Fünf Werke zeitgenössischer Choreographen, darunter zwei erfinderische Tänzer aus seinem Ensemble, setzten dies bei der Premiere in Szene, und angesichts der Vielzahl und Andersartigkeit der Werke blieb einem oft nicht mehr als ein Blinzeln zwischen den Stücken. Viel Zeit, Luft zu holen, war nicht.
Die beiden stärksten Werke des Abends sind „Inclination“, eine Uraufführung der niederländischen Choreografin Regina van Berkel zu dem wunderschönen Streichquartett Nr. 4 von Alan Hovhaness, und „Pond Way“ des US-Amerikaners Merce Cunningham. Zum ersten Mal überhaupt zeigt nun eine fremde Compagnie das Spätwerk des meisterhaften Avantgardisten Cunningham, der 2009 starb.
Er hat den Tanz von der Musik befreit, seine Bewegungen entstehen, bevor auch nur ein Ton fällt. Erst kurz vor der Aufführung hören die Tänzer die Musik. Als Gesamtkunstwerk ist die Cunningham-Welt nicht leicht zu durchdringen. Am Premierenabend gab es dennoch nur ein bis zwei Türenknaller — Martin Schläpfer hat sein Publikum längst auf solche Abenteuer eingeschworen. „Pond Way“, welches zu Cunninghams Naturstudien zählt, steht im Zentrum der Vorstellung, deren übergreifendes Thema die Natur ist. Hier eine zirkulierende Wasserlandschaft, dort eine heitere Frühlingständelei.
Voll von schönster Sehnsucht ist der Tanz bei Regina van Berkel. Mit ihrem Werk „Inclination“ schließt der Abend. Eine kluge Entscheidung, denn diese zauberhafte Choreographie hält der schwindenden Aufmerksamkeit der Zuschauer nach mehr als zwei Stunden stand. Ein Abend voller Strahlkraft. Allein die Uraufführung Amanda Millers, „Crop“, ist etwas dünn geraten. Ihren assoziativen Spielchen im Wald fehlt der Saft, das Ganze wirkt eher wie eine Walpurgisnacht, bei der nicht so recht Stimmung aufkommen will.