AKW-Laufzeitverlängerung: Mit Energiepolitik hat das nichts zu tun
Ein Kommentar von Lothar Leuschen.
Den Umweltschützern werden auch die Befürworter längerer Laufzeiten von Atomkraftwerken ihre helle Aufregung als ehrlich abnehmen. Bei so manchem SPD-Politiker hingegen fällt das schwer. Wie ernst zu nehmen ist zum Beispiel die lautstarke Kritik eines Sigmar Gabriel, der doch wissen muss, dass die Frage der Atomlaufzeiten mit Energiepolitik nichts zu tun hat?
Gabriel kennt die Kassenlage. Und er war dabei, als der Bundestag im vergangenen Jahr auch mit Stimmen aus der SPD-Fraktion die Schuldenbremse beschlossen hat. Ab 2016 darf sich der Bund nur noch mit 0,35 Prozent des Brutto-Inland-Produktes neu verschulden. Das sind deutlich weniger als zehn Milliarden Euro. Für den Haushalt 2010 waren 80 Milliarden Euro Neuverschuldung geplant, die wegen der wirtschaftlichen Erholung allerdings nicht ausgeschöpft werden müssen.
Was an Neuverschuldung bleibt, taugt aber immer noch als kaum schlagbares Argument dafür, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern, wenn die Industrie dafür jedes Jahr mehrere Milliarden Euro in die Staatskassen bezahlt.
Wer auf der politischen Bühne immer wieder davon spricht, dass künftige Generationen nicht die Zinsen für die Schuldenpolitik ihrer Vorgängergenerationen bezahlen sollen, der muss heute Farbe bekennen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat das getan. Wenn längere Laufzeiten von Atomkraftwerken auch nicht gerade ein Ruhmesblatt sind und die Frage nach der Endlagerung von Atommüll nur noch dringlicher machen, sind Kritiker dieses Kurses brauchbare Alternativen bisher schuldig geblieben.
Die Bundesregierung hat die Alimentierung von Hartz-IV-Empfängern eingeschränkt, sie macht den Flug in die Ferien teurer, sie langt bei Unternehmen hin, die überdurchschnittlich energieintensiv produzieren.
Höhere Steuern vor allem auf mittlere Einkommen verbieten sich dagegen, weil dadurch die Binnennachfrage sinkt und Arbeitsplätze gefährdet werden. Außerdem sind in drei Jahren wieder Bundestagswahlen. Und die gewinnt niemand, der seinen Bürgern über Gebühr in die Tasche greift.
Und Bundeskanzlerin Angela Merkel ist offensichtlich alles andere als amtsmüde. Sonst hätte sie der geballten Atomlobby und deren Unterstützern auch aus ihren Reihen mit dem hohen Preis für längere Laufzeiten wahrscheinlich nicht Stand gehalten.