Kommentar Angela Merkel: Wie Führung in den Zeiten von Coronavirus funktioniert

Meinung | Berlin · Manche Medien würden sich dramatischere Bilder von Kanzlerin Angela Merkel wünschen. Die leistet genauso wie Gesundheitsminister Jens Spahn aber eher Sacharbeit, als zu posieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn: Koordinieren, koordinieren und noch mal koordinieren.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Natürlich wäre es schön, wenn Angela Merkel jetzt mal ein Krankenhaus besuchen würde. Oder Heinsberg. Das gäbe Bilder, und ein Medium, das solche Bilder besonders braucht, warf der Kanzlerin schon Führungsschwäche vor, weil sie diese nicht liefert. Aber Bilder produzieren ist nicht ihre Aufgabe, zumal sie besser jetzt nicht auch noch krank wird.

Politische Führung verlangt eine Reaktion, die zur Lage passt. „Blut, Schweiß und Tränen“-Reden sind ohnehin nicht Merkels Sache. Maximal ein „Wir schaffen das“ kriegt sie hin. Aber Durchhalteappelle sind jetzt auch gar nicht notwendig. Das Land liegt nicht am Boden. Es steht allerdings vor einem Bündel neuer Herausforderungen, deren größte ist: Gemeinsinn bewahren. Es geht um die Verantwortung aller, sich zu schützen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Es geht um die Solidarität der weniger gefährdeten Jungen mit den Alten. Es geht um Verzicht auf Verzichtbares – Fußball, Disko, Theater – damit Unverzichtbares weitergeführt werden kann, der Schulunterricht zum Beispiel.

Man braucht jetzt nicht Finger, die auf die Verantwortung anderer zeigen. Wie etwa das Land Berlin, dessen Regierende allen Ernstes am Dienstag noch sagten, man warte beim Verbot von Großveranstaltungen erst mal auf eine einheitliche Regelung für alle Länder. Tolle Föderalisten sind das, die sonst immer auf ihrer Länderverantwortung pochen, und sich hier, wo sie sie haben, hinter dem breiten Rücken des Bundes verstecken wollten. Man braucht die Übernahme von Verantwortung durch jeden Einzelnen. Auf jeder Ebene. Auch durch jede Firma, jeden Sportverein und jeden Verband.

Sowohl Jens Spahn als auch Angela Merkel sind ihrer Führungsverantwortung bisher gerecht geworden. Spahn macht seit Wochen nichts anderes als Corona, er koordiniert sich mit den Experten und wagt sich auch selbst vor – etwa mit seiner „Empfehlung“, alle Großveranstaltungen über 1000 Menschen abzusagen. Merkel sorgt für die Koordination in Europa und mit dem Wirtschafts- und Finanzminister für die Abfederung der wirtschaftlichen Folgen. „Die Botschaft ist: Wir werden das Notwendige tun“, sagte Merkel am Mittwoch. Schwarze Null hin oder her. Das ähnelt Mario Draghis Versprechen aus dem Jahr 2012, die EZB werde so viel Geld zur Verfügung zu stellen, wie nötig sei, um die Eurokrise zu bewältigen. „Whatever it takes.“

Man braucht die Übernahme von Verantwortung durch jeden Einzelnen, meint Autor Werner Kolhoff.

Foto: nn

Führung heißt in dieser Phase: Koordinieren, koordinieren und noch mal koordinieren. Allerdings könnte Merkel der Öffentlichkeit durchaus etwas öfter zeigen, dass sie das tut. Das würde beruhigen. Denn es geht darum, den Menschen das Gefühl zu geben, dass die Situation zu bewältigen ist. Wenn das gelingt, wird sich nicht nur die Kurve der Ansteckungen abflachen, sondern auch die der Panikattacken in den Supermärkten und an den Börsen.