Auf den zweiten Blick eine gute Wahl
Der große Wurf ist Christian Wulff sicher nicht. Und damit auch nicht der Befreiungsschlag, den sich so viele von der Kür des Präsidentschaftskandidaten gewünscht haben werden. Dazu ist Wulff einerseits noch zu farblos und dessen Wahl andererseits von zuviel Kalkül geprägt.
Angela Merkel ging es offenbar nicht um ein Signal ins Volk. Es ging ihr darum, für die schwarz-gelbe Regierungskoalition einen konsensfähigen Kandidaten zu finden - konservativ genug für die CSU, wirtschaftsliberal genug für die FDP. Diese Kriterien erfüllt Wulff.
Mag sein, dass die Kanzlerin mit ihrem Votum für den niedersächsischen Ministerpräsidenten auch ureigene Interessen vertreten hat. Denn in Wulff lobt sie einen innerparteilichen Widersacher in ein für sie ungefährliches Amt. Und für die zunächst als Favoritin gehandelte Ursula von der Leyen ist nun sonnenklar, wer in der CDU das Sagen hat.
Aus all diesen Gründen ist der Ministerpräsident von Niedersachsen keiner, dem die allermeisten Deutschen spontan zujubeln werden. Bei vielen dürfte die Enttäuschung darüber überwiegen, dass, wenn es schon ein Präsident aus dem konservativen Lager sein muss, nicht wenigstens von der Leyen als erste Frau ins Schloss Bellevue einziehen durfte.
Es ist an Christian Wulff, die Zweifler zu gewinnen. Das Zeug dazu hat er. Wulff ist trotz seiner erst 50 Lebensjahre ein sehr erfahrener und versierter Politiker. Er kann zuhören und überzeugen. Er ist kein Haudrauf, keiner mit Ecken und Kanten. Und genau das ist seine Chance. Wulff will die Menschen zusammenführen, hat er gesagt.
Die Frage ist, wie er dieses Vorhaben interpretiert. Wenn es ihm gelingt, die Politiker zu erden, wenn er es schafft, dass deren hehren Ankündigungen ebenso hehre Taten folgen, auch wenn sie wehtun, dann hat er in diesen schwierigen Zeiten schon viel erreicht.
Dieses Land braucht einen Bundespräsidenten, der den politisch Handelnden regelmäßig deutlich macht, von wem sie gewählt wurden und für wen sie zu arbeiten haben. Wulff kann das.
Deshalb hat er alle Chancen dazu, dass die Menschen ihm und seinem Amt den Respekt entgegenbringen, zu dem manche Politiker in den vergangenen Monaten gegenüber dem Bundespräsidenten Horst Köhler nicht fähig gewesen sind.