Das Ende der deutschen Herrlichkeit droht
Noch trotzt die Wirtschaft der Staats-Schuldenkrise
Seit Jahren wabert die Schuldenkrise vieler EU-Staaten wie ein schwerer Nebel über dem Kontinent. Nur über Deutschland scheint die Sonne. So zumindest sieht es auf den ersten Blick aus. Die Wirtschaft wächst, der Export stellt ungeahnte Rekorde auf, die Arbeitslosenquote sinkt. Auch die Zahl jener, die von Zusatzleistungen durch Hartz IV abhängig sind, ist so niedrig wie seit 2006 nicht mehr. Industrie und Mittelstand prognostizieren für das nächste Jahr ein andauerndes Wachstum. Alles in Ordnung also.
Diese durchweg guten Nachrichten erklären, warum sich in Deutschland außer Politikern und Volkswirtschaftlern niemand so recht über die Schuldenkrise aufregen mag. Das einzige Ärgernis scheint zu sein, dass der deutsche Steuerzahler unter Umständen für die griechische Schuldenmacherei zur Kasse gebeten werden wird. Sonst hat Deutschland mit der Schuldenkrise nicht allzu viel zu tun.
Doch dieser Schein trügt. Deutschland steckt mitten drin in der Verantwortung für das Wohl und Wehe der Europäischen Union. Gleichzeitig ist die Bundesregierung die Instanz, die entscheidet, ob es mit der deutschen Wirtschaftswunder-Herrlichkeit weitergeht. Das Musterland der EU ist bei näherer Betrachtung alles andere als ein Vorbild. Zwar hat Deutschland sich selbst eine Schuldenbremse verordnet. Aber bis die greift, wird weiter auf Pump gelebt. Die Staatsverschuldung hat die 2000-Milliarden-Euro-Grenze längst überschritten und damit fast 82 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht. Das ist heute noch verkraftbar. Aber die Aussichten werden schlechter. Dass es Deutschland zuletzt nicht mehr gelang, alle Staatsanleihen an Investoren zu bringen, ist ein Warnsignal.
Sollte sich daraus ein Trend ergeben, treffen sich die bisherigen Parallelwelten plötzlich. Dann bleibt die deutsche Wirtschaft nicht länger unberührt von der Staats-Schuldenkrise. Wenn ein Finanzminister mit seinen Angeboten bei den Geldgebern nicht mehr landen kann, ist er geradezu gezwungen, andere Quellen anzuzapfen. Das heißt letztlich nichts anderes, als dass Bürger und Unternehmen mehr Steuern bezahlen müssen. Und dann ist es sehr wahrscheinlich bald vorbei mit der guten Binnennachfrage und den Exportrekorden.