Dieser Koalition wohnt kein Zauber inne

Eine Bilanz nach 100 Tagen Schwarz-Rot

Ein Kommentar von Anja Clemens-Smicek.

Foto: Young David (DY)

Düsseldorf. Wir erinnern uns: Am Abend des 22. September 2013 präsentierte sich die Union mit 41,5 Prozent als große Siegerin, die Sozialdemokraten mit 25,7 Prozent erschienen wie der klare Verlierer. Knapp 100 Tage nach der Bundestagswahl klingt das mit den Worten von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi so: „Die SPD hat schon in den ersten Monaten dieses Jahres bewiesen, dass sie der Motor der Koalition ist.“

Fraglos bestimmt der kleine Koalitionspartner die Schlagzeilen. Arbeitsministerin Andrea Nahles peitscht ihren Mindestlohn durch, Justizminister Heiko Maas die Mietpreisbremse, und die Chefin des Familienressorts, Manuela Schwesig, bringt das Elterngeld-Plus auf den Weg. CDU und CSU wirken über weite Strecken wie Statisten im falschen Film, während sich ihre Wähler um die Früchte des Sieges betrogen fühlen.

Dass dieser Koalition ein Zauber innewohnt, war von Beginn an nicht zu erwarten. Schwarz-Rot ist in Ermangelung von Alternativen ein Zweckbündnis in Reinform. Der Union liebster Partner FDP hatte es erst gar nicht in den Bundestag geschafft, und die SPD war und ist für ein rot-rot-grünes Bündnis noch nicht reif. Also blieb nur der Gang in eine große Koalition. In Zeiten kollabierender Banken war dieses Farbenspiel durchaus einmal von Erfolg gekrönt. Heute aber bedarf es Partner, die nicht allein um des Regierens willen zusammen arbeiten. Es geht darum, die richtigen Antworten zu finden — auf die demografische Entwicklung, auf die Altersarmut und die Probleme, die die Energiewende mit sich bringt. Doch in dem Wie liegen die Parteien allzu weit auseinander. Zudem fehlt dieser Koalition ein entscheidender Grundpfeiler — Vertrauen. Sollte es jemals eine Basis für Schwarz-Rot gegeben haben, so wurde sie durch die unappetitliche Edathy-Affäre zerstört. CSU-Chef Horst Seehofer wartet nur auf den Tag der Abrechnung mit der SPD.

Trotzdem werden CDU, CSU und SPD weiter unbehelligt vor sich hin regieren, wissend, dass von dem kleinen Häuflein Opposition keine Gefahr ausgeht. Vielleicht aber vom Wähler, der sich in dieser Regierung nicht wiederfindet. Die Europawahl könnte da schnell zum Weckruf für Merkel & Co. werden. Denn am Horizont droht mit der AfD eine unberechenbare neue Kraft.