Meinung Diskussion über eine Ampel-Koalition im Bund Zur Not mehr Farbe

Politisch betrachtet geht es inzwischen ziemlich bunt zu in Deutschland. Schon das Wahljahr 2016 brachte Farbkombinationen mit sich, die vordem als abwegig galten. Man denke nur an das „Kenia-Bündnis“ in Sachsen-Anhalt: Weil es nicht einmal mehr zu einer großen Koalition aus Schwarzen, also Union, und Roten, also SPD, gereicht hatte, mussten beide Parteien die Grünen mit ins Boot nehmen.

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Nur in zehn von 16 Bundesländern sind derzeit zwei Parteien stark genug, um eine Regierung zu bilden. Der Rest wird mit Ausnahme Bayerns von jeweils gleich drei Parteien geführt. Soviel Farbe war noch nie — aber eben auch noch nie so viel Notgemeinschaft. Umso merkwürdiger klingt es, wenn jetzt im Zuge der anstehenden Bundestagswahl mit Verve über Notgemeinschaften diskutiert wird, als könnte man damit ab Herbst paradiesische Zustände herbeiführen. Alle Parteien sollten sich hier besser zurückhalten. Denn es könnte ihr Schaden sein.

Zumindest die SPD ist ja bereits ein gebranntes Kind. Zwar hatten die Linken den Sozialdemokraten nach der Saarland-Wahl vorgeworfen, dass der Machtwechsel in Saarbrücken an einem klaren Bekenntnis der SPD zu Rot-Rot beziehungsweise Rot-Rot-Grün gescheitert sei. Doch in Wahrheit hatte sich die Truppe um Martin Schulz für derlei Bündnisse schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Die Quittung war eine unerwartet starke Mobilisierung von CDU-Wählern.

Wenn SPD-Politiker nun plötzlich ihre Liebe zu einer „Ampel-Regierung“ entdecken und auch Liberale der rot-gelb-grünen Erweckung das Wort reden, dann kann das genauso ins Auge gehen. Zum Gerechtigkeitswahlkampf von Schulz passt die Aussicht auf einen Pakt mit den Liberalen jedenfalls kaum. Und der FDP wiederum kann allzu viel Nähe zu den Genossen auch nicht recht sein. Muss sie doch eher um enttäuschte Unionswähler buhlen, um überhaupt erst einmal wieder in den Bundestag zu kommen. Schon diese Ungewissheit macht das Philosophieren über eine „Ampel“ aktuell zur Phantom-Diskussion.

Wer sie trotzdem führt, der macht die Rechnung natürlich ohne die Union. Und auch das könnte sich noch als Trugschluss erweisen. Mit dem Schulz-Hype galt Angela Merkel schon als abgeschrieben. Doch die Kanzlerin hat den Wahlkampf nicht verlernt. Das zeigte sich am Wochenende in Nordrhein-Westfalen. Die Union ist dort in der Opposition. Schon wenn sie es bei der Wahl im Mai zum Juniorpartner von Hannelore Kraft brächte, wäre das aus Sicht der CDU ein Fortschritt. Spätestens dann hätten sich Sandkastenspiele für eher instabile Dreierbündnisse wohl erst einmal erledigt.

Für Union und SPD kommt es bei der nächsten Bundestagswahl darauf an, wer als stärkste Kraft durchs Ziel geht. Dank Martin Schulz ist dieses Rennen offen. Gewissheit über eine bestimmte Farbkombination kann es allen malerischen Gedanken zum Trotz erst danach geben.