Meinung Erdogan Grenzen aufzeigen
Rache und Vergeltung. Das sind die Taten, mit denen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die jüngsten Terroranschläge in Istanbul reagieren will. Wäre sein Land ein demokratischer Rechtsstaat, müssten die Dinge anders laufen.
Eine unabhängige Justiz hätte den Tathergang zu ermitteln, die Täter ausfindig zu machen, vor Gericht zu stellen und zu verurteilen — wenn die Beweise ausreichend sind. Aber die Türkei ist kein Rechtsstaat mehr. Erdogan führt Krieg gegen einen Teil seines Volkes. Vor allem in den überwiegend kurdisch besiedelten Gebieten im Südosten des Landes sind die Menschen der Willkür des Staates schutzlos ausgeliefert. Der Tod von Zivilisten wird damit gerechtfertigt, dass dies alles Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) seien.
Zu den Anschlägen hat sich eine radikale Splittergruppe der PKK bekannt. Im Netz kursieren unzählige Beiträge, die dem Terror das Wort reden. Es handele sich um einen „legitimen bewaffneten Widerstand“. Das ist dummes Zeug. In Istanbul sind Menschen ermordet worden. Unter keinen Umständen rechtfertigt Erdogans Politik diesen Terror. Der Präsident ist zwar dabei, die Türkei in eine Diktatur zu verwandeln. Aber feige Gewalt hilft nicht weiter, um dem Despoten in Ankara seine Grenzen aufzuzeigen.
Die EU hätte durchaus die Chance, Erdogan zu mäßigen. Aber Brüssel und Berlin nutzen ihre Möglichkeiten nicht. Sie setzen auf Leisetreterei, weil sie Erdogan für einen unverzichtbaren Partner in der Flüchtlingspolitik halten. Aus Angst, die Türkei könnte Millionen Migranten Richtung Norden schicken, lassen sie Erdogan alles durchgehen. Dabei ist die Türkei ökonomisch auf die EU angewiesen. Das Land braucht den Handel mit der Union, es braucht die Investitionen und die Touristen, um wirtschaftlich überleben zu können. Es ist an der Zeit, den Druck auf Erdogan spürbar zu erhöhen. Zum Beispiel auch durch den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.