Europa braucht mehr Schwarm-Intelligenz
Hillary Clintons Verwunderung über die Sicherheitspolitik in Europa ist nachvollziehbar. In den USA hatte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue Zeitrechnung begonnen. Zweifellos wurde dabei Manches übertrieben, etwa die Allmacht der Überwachung durch die NSA.
Oder die mangelnde Kontrolle der Dienste. Aber über alle Ein- und Ausreisen hat man in den USA inzwischen ein sehr genaues Bild, so dass registrierte Gefährder kaum eine Chance haben, ins Land zu kommen. Die innere Sicherheit steht oben auf der Agenda und wird finanziell wie politisch entsprechend behandelt. Von all dem ist Europa bisher weit entfernt.
Wie viele Anschläge braucht dieser Kontinent noch, um zu verstehen, dass man dem Terrorismus mit Kleinstaaterei nicht beikommen kann? Die Attentäter sind mobil, kooperieren international und suchen ihre Ziele überall. Aber die Sicherheitsdienste blicken nur bis zur eigenen Landesgrenze. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein erkannter Gefährder wie der Drahtzieher der Pariser Attentate, Abaaoud, so oft unauffällig durch Europa reisen konnte. Auch durch Deutschland. Es ist unerklärlich, dass es immer noch Staaten gibt, die mit dem Rest der Sicherheitsapparate Europas nicht per automatischem Datenaustausch verbunden sind. Und ebenso, dass man EU-Bürger bei der Einreise in den Schengen-Raum nur im Ausnahmefall überprüft, so dass heimkehrende Syrien-Dschihadisten mit dem richtigen Pass erst freies Reisen und dann freie Schussbahn haben.
Am Freitag ist über all diese Themen in Brüssel gesprochen worden, erneut. Schon nach den Attentaten gegen „Charlie Hebdo“ Anfang des Jahres sollte sich ja Einiges ändern, doch hat die Umsetzung quälend lange gedauert. Das damals beschlossene gemeinsame Terrorabwehrzentrum beginnt erst Anfang 2016 mit der Arbeit. Jetzt, nach Paris, soll alles beschleunigt werden. Wieder musste erst etwas passieren.
Diese Betulichkeit muss Europa ablegen. Absolut überflüssig ist dagegen der von der EU-Kommission vorgeschlagene Aufbau eines neuen europäischen Super-Geheimdienstes, der nur wieder Zeit und Geld kostet. Die nationalen Geheimdienste sind viel näher dran an den radikalen Milieus, nur müssen sie eben kooperieren. Europa braucht keine neue Behörde, aber viel mehr Schwarm-Intelligenz.