Meinung Flüchtlingsdebatte - Schwarz-Weiß hat ausgedient

Wer differenziert, hat es in Debatten meist schwerer. „Sowohl als auch“ macht sich im Schlagabtausch nie so gut wie „Entweder oder“. Dabei ist die repräsentative Studie „Skepsis und Zuversicht“ der Evangelischen Kirche in Deutschland eine 70-seitige Argumentationshilfe dafür, das Schwarz-Weiß-Denken in der Flüchtlingsdebatte mal endlich auf den Müll zu werfen.

Foto: Sergej Lepke

Wer persönliche Erfahrungen mit Flüchtlingen macht, schätzt diese ganz überwiegend positiv ein — aber er verliert dabei die gesellschaftlichen Probleme und Sorgen nicht automatisch aus dem Blick. Im Osten gibt es größere Skepsis als im Westen — doch ausgerechnet im verschrienen Sachsen hat sich im Laufe der Befragungswellen im Gegensatz zu allen anderen östlichen Bundesländern eine eher zuversichtliche Einschätzung durchgesetzt.

Vor allem aber: Die Deutschen, so legt es die Studie nahe, sind mehrheitlich nicht gewillt, ihre grundsätzliche Haltung zum leichtfertigen Spielball tagesaktueller Heile-Welt- oder Untergangsstimmungen zu machen.

Daraus lässt sich lernen. Zum einen, dass die Stimmung im Land weniger an den Lautsprechern abzulesen ist, als die einen befürchten und die anderen hoffen. Zum anderen, dass gerade die stillen und unbeirrten Anpacker vor Ort der Ermutigung bedürfen, die der künftige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier just zu seiner Sache erklärt hat. Sie sind mit ihrem pragmatischen Realismus der gesellschaftliche Kitt in der Flüchtlingsdebatte.

Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein Lernprozess. Die Studie gibt keinen Anlass zu glauben, die Deutschen wären dazu nicht fähig. Aber sie bietet auch genügend Hinweise, mit welchen Erwartungen dieser Prozess verbunden ist: an die Handlungsfähigkeit des Staates und an die soziale Gerechtigkeit. Denn die Zustimmung in der Flüchtlingsfrage steigt mit den wirtschaftlichen Verhältnissen. Zuversicht muss man sich auch leisten können.