Gesucht — eine bescheidenere Nato

Die Zeit der Mammut-Operationen ist vorbei

Mit dem Prädikat „historisch” sind die Teilnehmer an Nato-Gipfeln sonst flott bei der Hand. Diesmal nicht. Wenn sich beim Spitzentreffen in der Obama-Stadt Chicago keine größeren Brüche auftun, wenn das Bündnis bei den Prioritäten (Afghanistan-Abzug, Einsparungen durch Aufgaben-Verteilung, Beziehungen zu den Partnern) den vorgezeichneten Kurs hält, ist man schon zufrieden.

Es liegt keine Aufbruchstimmung über dem zeitlich knapp bemessenen Häuptlingspalaver des „erfolgreichsten Militärbündnisses der Geschichte”. Eher Beklommenheit. Ist die eigene Unentbehrlichkeit noch gesichert? Was sollen in Zukunft die genuinen Nato-Leistungen sein? Und wird die Allianz in Zeiten leerer Kassen noch liefern können, was von ihr erwartet wird? Die Frage nach der Existenzberechtigung beunruhigt die Gemüter.

Die beiden Groß-Aufträge auf dem Balkan und in Afghanistan nähern sich dem Ende. Sie konnten nur unvollkommen erledigt werden. In Bosnien und dem Kosovo wurden Verbrechen gestoppt und eine Art Frieden light hergestellt.

Was folgen muss, die dauerhafte Stabilisierung im Inneren der Nachfolge-Staaten Jugoslawiens und ihr gutnachbarschaftliches Verhältnis zueinander, überfordert indes die Möglichkeiten eines Militärbündnisses. In Afghanistan ist der Versuch gescheitert, ein ganzes Land mit militärischen Mitteln umzukrempeln.

Die Zeit der Mammut-Operationen ist vorbei. Es fehlt für Einsätze dieser Dimension — am Einsatz in Afghanistan waren zeitweise mehr als 150 000 Soldaten aus 50 Ländern beteiligt — an Geld ebenso wie an politischer Unterstützung.

Die fällige Selbst-Beschränkung einer bescheideneren Nato kann freilich nicht im Rückzug auf die alte Kernaufgabe — kollektive Verteidigung des Bündnisgebiets — bestehen. Das Territorium der Nato-Länder ist derzeit kaum bedroht.

Ihre Sicherheit ist eher gefährdet durch die Folgen regionaler Konflikte, durch Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, durch Terroristen und Cyber-Krieger. Dafür wird das Bündnis als Sicherheitslieferant und politische Klammer gleichgesinnter Völker weiter gebraucht. Es wird aber seine Fähigkeiten effektiver organisieren und die Mängel beseitigen müssen, die sich im Libyen-Einsatz gezeigt haben.