Ex-EZB-Chef wird Italiens Ministerpräsident Glücksfall Draghi

Meinung | Rom · Mario Draghi ist wieder da. Der inzwischen 73-Jährige wird der neue Ministerpräsident Italiens, Leitfigur einer Regierung der nationalen Einheit.

Mario Draghi wird neuer Ministerpräsident Italiens.

Foto: dpa/Andrew Medichini

Viele deutsche Sparer reagieren bis heute verärgert, wenn der Name Draghi fällt. Sie werfen dem Ex-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, ihre Rücklagen mit seiner Nullzinspolitik entwertet zu haben. Dass Draghi richtig lag, wollen sie nicht hören. Selbst die Tatsache, dass der Italiener in der Finanzkrise den Euro vor dem Kollaps bewahrt hat, bescherte ihm hierzulande kein positives Image. Dabei hatte seine mutige Ankündigung, die Mittel der EZB bedingungslos einzusetzen („whatever it takes“ – was immer nötig sein wird) historische Dimensionen.

Seit fast einem Monat ist Italien ohne handlungsfähige Regierung. Mitten in der Pandemie und erschüttert von einer Rezession, die schwerer ausfällt als in anderen Ländern Europas, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte seinen Rücktritt, weil sich seine Mitte-Links-Koalition nicht über die Verteilung der Corona-Hilfsgelder einigen konnte.

Was nach typisch italienischer Selbstgefälligkeit aussah, erweist sich als Glücksfall. Weil sich dabei unverhofft die Tür für Draghi geöffnet hat. Unter seiner Führung soll eine Einheitsregierung die Geschicke des Landes in die Hand nehmen – Fachleute und nicht parteipolitische Wichtigtuer sagen dann, was gemacht wird.

Rolf Eckers, Redakteur der WZ

Foto: Sergej Lepke

Italien bekommt von der Europäischen Union aus dem Corona-Hilfsfonds rund 200 Milliarden Euro. Mit Draghi an der Spitze verfügt das Land über eine Regierung, die fähig ist, dieses Geld sinnvoll auszugeben. Italien hat Europa versprochen, nicht nur Hilfen zu verteilen, sondern auch Reformen anzugehen, um nach der Krise konkurrenzfähiger zu sein. Mario Draghi kann das leisten. Es sei denn, die zerstrittenen Parteien versagen ihm im Parlament die Mehrheit. Derzeit stehen sie hinter ihm, sogar der egozentrische Rechtspopulist Matteo Salvini. Hoffentlich bleibt das so. Es wäre gut für Italien und Europa.