Griechenland hat die Wahl
kommentar Die Unsicherheit wächst, Sparer heben Milliarden ab
Nach sechs Jahren Rezession sind viele Griechen zermürbt. Jeder Vierte ist ohne Arbeit, jeder Dritte lebt an der Armutsgrenze. Wer einen Job hat, muss meist bescheiden sein, denn seit 2010 sind die Einkommen im Schnitt um ein Drittel gefallen. Alexis Tsipras scheint angesichts dieser Bedingungen leichtes Spiel zu haben.
Der Chef des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza) will Löhne und Renten wieder auf Vorkrisenniveau anheben, entlassene Staatsdiener zurückholen und die Banken zwingen, Privatleuten ihre Schulden zu erlassen. Die ausländischen Gläubiger sollen auf einen Großteil ihrer Forderungen gegenüber Griechenland verzichten. Mit diesem Programm, so tönt Tsipras, wird er bei den vorgezogenen Wahlen am 25. Januar genügend Stimmen bekommen, um Ministerpräsident zu werden.
Es kann sein, dass der 40-Jährige recht hat. Sicher ist das aber nicht. Der Syriza-Chef geht fest davon aus, dass der Rest Europas alles daransetzen wird, Griechenland in der Eurozone zu behalten. Tsipras glaubt, den Sparkurs beenden und die Reformen zurückdrehen zu können. Nach seinem Wahlsieg würden die Finanzmärkte nach der Pfeife Griechenlands tanzen und nicht wie bisher umgekehrt, verkündet der Linksaußen.
Angesichts solcher Sprüche sind nicht wenige Griechen voller Skepsis. Tausende haben ihre Bankkonten geräumt, Milliarden wurden abgehoben. Die Angst vor politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen ist groß. Eine Mehrheit fürchtet, bald wieder Drachme statt Euro im Portemonnaie zu haben. Und so könnte es tatsächlich kommen, wenn Tsipras Regierungschef wird. Eine Eurozone ohne Griechenland halten die meisten Ökonomen für ungefährlich. Die Erpressbarkeit Europas ist erheblich geringer als vor drei, vier Jahren, weil sich andere Problemländer wie Portugal, Spanien oder Irland inzwischen erholt haben.
Was die Griechen brauchen, ist das Vertrauen von Investoren. Insbesondere im Tourismusgeschäft kann das Land Geld verdienen. Eine Abkehr vom Reformkurs und das Aus für den Euro wären da fatal. Die Wiedereinführung der alten Währung stünde als Symbol dafür, dass die Griechen wieder über ihre Verhältnisse leben wollen.