John Demjanjuk: Ein spätes Signal der Gerechtigkeit
Die Verurteilung des John Demjanjuk als NS-Verbrecher
Der Verteidiger des als NS-Verbrecher verurteilten John Demjanjuk hatte in seinem Schlussplädoyer eine seltsame Rechenformel aufgestellt: Indem man einen ausländischen Helfer des Holocaust zur Verantwortung ziehe, wolle man Deutschlands Schuld verringern.
Zu Recht ließ sich das Gericht nicht auf eine solche Rechnung ein, sondern beurteilte den Fall strafrechtlich — aufgrund der im Verfahren ermittelten Beweise.
Dennoch lässt sich bei einem solchen Prozess, in dem es erstmals um die Schuld eines ausländischen Helfers der NS-Tötungsmaschinerie ging, die Geschichte natürlich nicht ausblenden. Und damit ist nicht nur die Geschichte des NS-Massenmordes gemeint.
Auch die Art und Weise, wie die deutsche Justiz jahrzehntelang mit dessen Aufarbeitung umging, ist beschämend. Nur gegen heftigen Widerstand konnte 1979 durchgesetzt werden, dass Mord — und damit auch die Taten der NS-Mörder — nicht verjährt.
Trotzdem wurden unzählige Täter und Gehilfen in Frieden gelassen. Da mag es leicht so wirken, als müsste nun ein Demjanjuk und vielleicht demnächst noch eine Handvoll weiterer betagter Verantwortlicher herhalten als Objekte, an denen diese alten Versäumnisse nun ausgeglichen werden.
Doch die Demjanjuks können nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht pochen. Aufgabe des Gerichts ist es, individuelle Schuld festzustellen. Dass viele andere Täter und Gehilfen davonkamen und bis zu ihrem Tode unbehelligt blieben, darf da keine Rolle spielen.
Die jetzt abgeurteilten Taten liegen 68 Jahre zurück. Und der Verurteilte ist 91 Jahre alt. Darf man den überhaupt noch verurteilen und bestrafen? Ob eine Strafvollstreckung bei einem so alten Mann geboten ist, darf durchaus bezweifelt werden. Doch der Schuldspruch, das Urteil als solches — das war wichtig.
Warum, das hat der Vertreter eines Angehörigen der damaligen Opfer in seinem Nebenkläger-Plädoyer eindrucksvoll begründet: Es gehe nicht nur um Gerechtigkeit gegenüber den Opfern.
Das Verfahren sei auch „ein Gebot der Gerechtigkeit für eine Gesellschaft, die sich ihrer Grundwerte gerade dadurch versichert, dass bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verantwortlichkeit nicht etwas ist, das sich mit Zeitablauf erledigt“.