Meinung Justiz unter Beobachtung

Richter, so sagt es Artikel 97 des Grundgesetzes, „sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen“. Staatsanwälte stehen in einer Behördenhierarchie. Doch für beide gilt: Sie agieren nicht in einem gesellschaftlichen Paralleluniversum. Auch sie sehen sich Einflüssen von außen ausgesetzt, Einflüssen von Öffentlichkeit und Medien.

Foto: Sergej Lepke

In einer aktuellen Befragung gestehen sie das zu.

Richtern, die vom Berufsbild her immer im Recht sind und im Prozess das letzte Wort haben, mag es als Zumutung erscheinen, wenn ihr Handeln von außen bewertet wird. Dass ihrem letzten Wort doch noch weitere allerletzte kommentierende Sätze hinterhergerufen werden. Und manch ein prominenter Angeklagter, heiße er nun Hoeneß, Middelhoff, Kachelmann oder Wulff, litt darunter, dass die Ankläger, getrieben von einer aufgeheizten Öffentlichkeit, besonders beißlustig auftraten.

Dass sowohl Staatsanwälte als auch Verteidiger es für wichtig halten, die Öffentlichkeit für ihre Sicht der Dinge zu gewinnen, spürt man immer wieder bei großen Strafprozessen. Wenn beide Seiten am Rande der Verhandlung Presseerklärungen abgeben. Auch die sogenannte Litigation PR — Anwälte machen die Öffentlichkeitsarbeit zum Teil ihrer Prozessstrategie — spricht dafür, dass es sich lohnt, die Trommel zu rühren.

Puristen, die die Rechtsfindung für eine Art von Mathematik halten, bei der das Urteil passend zur Missetat ausgeworfen wird, mag es irritieren, dass neben den unmittelbar Prozessbeteiligten auch andere mitmischen. Aber eine aufmerksame Öffentlichkeit kann durchaus den positiven Effekt haben, dass Richter und Staatsanwälte besonders korrekt arbeiten, weil ihnen auf die Finger geschaut wird. Und es kann nicht falsch sein, wenn sie auch das berücksichtigen, was außerhalb des Gerichtssaals gedacht wird. Man denke etwa an die zu Recht unnachsichtiger werdende Rechtsprechung in Sachen Autoraser-Fälle.