Kardinal Meisners Umkehr: Sehr spät, aber besser als gar nicht

Kardinal Meisners überraschende Umkehr hilft auch der Kirche

Selten dürfte ein Umfaller so viel Zustimmung geerntet haben wie Joachim Kardinal Meisner. Ab sofort können Ärzte in katholischen Krankenhäusern vergewaltigten Frauen die „Pille danach“ verschreiben. Dabei muss es sich um ein Medikament handeln, das ein Ei vor der Befruchtung schützt. Die Abtreibungspille lehnt er weiter kategorisch ab.

Aber nicht nur deshalb verbietet es sich, von einer rundum guten Nachricht zu sprechen. Der Betonkatholik aus Köln hat in dieser schrecklichen Geschichte auch sehr viel Porzellan zerschlagen. Dass gleich zwei katholische Krankenhäuser in Köln einer vergewaltigten Frau die Hilfe verweigerten, wird so schnell niemand vergessen. Dieser Skandal schadet den katholischen Kliniken und er schadet der katholischen Kirche insgesamt.

Doch ehe nun weiter mit Worten auf den streitbaren Kardinal eingedroschen wird, sei ein tieferer Blick auf das Dilemma gestattet, in dem die katholische Kirche sich in der Frage von Schwangerschaftsabbruch befindet. Eine Glaubensgemeinschaft, die sich dem Schutz auch des ungeborenen Lebens so fest verschrieben hat wie die Katholiken, fällt es naturgemäß schwer, einem Impuls zu folgen und nach einem noch so schrecklichen Vorfall Grundsätze über Bord zu werfen.

Die Kirche muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass sie einen so dramatischen Fall wie den von Köln offenbar nie in ihre Überlegungen einbezogen hat. Wenn ein Dogma dem gesunden Menschenverstand derart deutlich entgegensteht, büßt der Dogmatiker Glaubwürdigkeit ein.

Diese Erkenntnis könnte Meisner zur Umkehr bewogen haben. Es kann aber auch sein, dass der Druck von unten in der katholischen Kirche so groß geworden ist, dass Meisner seine Position aufgeben musste.

Mit seiner Volte hat der Kardinal seiner Kirche und den Frauen auf jeden Fall einen schon nicht mehr erwarteten Dienst erwiesen. Durch die nun mögliche Verschreibung eines Medikamentes können auch katholische Krankenhäuser in der Not helfen, ohne vollends gegen ihre Grundsätze handeln zu müssen. Es hat quälend lange gedauert. Aber auch im Sinne potenzieller Vergewaltigungsopfer sowie der Ärzte ist spät besser als nie.