Mitentscheiden ganz ohne Parteibuch

Auch in Moers droht dem Bürgermeister ein Abwahlverfahren

Es gibt so etwas wie ein politisches Frühlingserwachen in Nordrhein-Westfalen: Der Bürger entdeckt seine neue Macht, die Geschicke in seiner Stadt unmittelbar zu beeinflussen. Mit der „Lex Sauerland“ hat die rot-grüne Landesregierung das Instrument geschaffen, mit dem Stadtchefs, die sich grober Verfehlungen schuldig gemacht haben, aus dem Amt gejagt werden können.

Das ist ein großer Fortschritt für die direkte Demokratie, jenseits aller Parteipolitik. Das zeigen schon die ersten beiden Fälle in NRW. Bei der erfolgreichen Abwahl von Adolf Sauerland in Duisburg traf es einen CDU-Mann. In Moers muss nun ein SPD-Politiker bangen. Zwar haben sich in beiden Fällen die jeweiligen Lager gegen den Amtsträger versammelt — im Falle Moers die CDU sogar Seite an Seite mit der Linken und den Piraten —, aber die klassischen Parteien setzen sich hier nur auf einen fahrenden Zug.

Denn in beiden Fällen sind es unabhängige Initiativen, die sich gebildet haben, um ihren Kommunen eine bessere Zukunft zu bieten. Im Duisburger Fall war es das Entsetzen über den desaströsen Umgang des Oberbürgermeisters mit der Loveparade-Katastrophe und seine hartnäckige Weigerung, politische Verantwortung zu übernehmen. In Moers sind viele Bürger sauer über ein Gemenge aus Filz und Inkompetenz, das sie im Rathaus ausgemacht haben.

Auch wenn die Initiative in Moers an der erforderlichen Stimmenzahl scheitern sollte, wird sie als höchst belebendes Element in die Stadtgeschichte eingehen. Schließlich haben sich hier Menschen ohne Parteibuch zu einem Zweckbündnis organisiert, um sich einzumischen.

Die Parteien reagieren verunsichert auf diese Entwicklung, die erst nach jahrelangem Ringen in NRW ermöglicht wurde. Sie müssen erleben, dass es jenseits des Wutbürgers à la Stuttgart Einwohner gibt, denen das Schicksal ihrer Kommunen nicht egal ist, denen aber die Parteien keine Heimat bieten.

Noch funktionieren die Initiativen wie Selbstheilungskräfte, die Missstände beseitigen. Die haben früher gefehlt, sonst wäre Städten wie Köln oder Wuppertal vieles erspart geblieben. Doch das ist erst der Anfang. Bald werden sich die Bürger auch da einmischen, wo Gesetze gemacht werden.