Meinung Nach dem BVB-Anschlag: Die Show muss eben nicht immer weitergehen
Ist die Entscheidung, das ausgefallene BVB-Spiel gegen AS Monaco direkt am Mittwoch nachzuholen, ein starkes Zeichen - oder eher ein Symptom mangelnder Sensibilität? Eine Betrachtung.
"Wir spielen heute nicht nur für uns. Wir spielen für alle!“ #bvbasm https://t.co/xIT96ZA7xH pic.twitter.com/XTGGA1FiUp
Am Ende ist es natürlich auch ein gutes Zeichen: Eine Dortmunder Arena erhebt sich gegen einen feigen Akt von Gewalt, Fußballprofis lassen sich nicht unterkriegen und jagen vertragsgemäß dem Ball hinterher, obwohl sie 24 Stunden vorher in einem Bus noch um ihr Leben zittern mussten. Das kann man feiern als Sieg über den Terror. Niemand hat sich in Dortmund einschüchtern lassen. Tenor: Wir weichen keinen Schritt zurück.
Man kann das aber auch anders sehen. Denn die Motivation der Uefa als Vaterorganisation der Geldmaschine Champions League, das Viertelfinal-Spiel nur 24 Stunden nach dem Anschlag stattfinden zu lassen, war sicher nicht, ein Zeichen aus solch honorigen Gründen zu setzen. Dass die Beteiligten gestern so kurz nach dem Vorfall schon entscheiden mussten, wie die Show bitte schön weitergeht, war vielmehr dem Fußball-Kommerz mit all seinen Auswüchsen geschuldet. Alternativlos war dann das Wort der Wahl.
Der Fußball-Kalender, Sie wissen schon. Atemlos. Die Show muss immer weitergehen: „Es gab dazu keine Alternative, weil die Terminsituation zwischen Viertel- und Halbfinale nichts anderes zulässt“, sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ein bisschen zu schnell zu sehr auf Linie des großen Fußball-Geschäfts. Einmal durchschütteln und dann wieder über den Platz jagen, das muss schon drin sein. Aber bitte früh, 18.45 Uhr, bloß nicht zeitgleich mit den Bayern. Das TV, die Verträge. Muss das alles wirklich sein?
Muss es eben nicht. Wenn eine Gesellschaft es nicht mehr schafft, sich selbst zu bremsen und jeden Wahnsinn bisweilen eben auch unter fadenscheinigen Argumenten damit zu rechtfertigen, man wolle sich durch den Terror nicht einschüchtern lassen, läuft etwas falsch. Die Show muss eben nicht immer weitergehen, es braucht auch Zeit, Dinge zu verarbeiten, einzuordnen, grundsätzlicher nachzudenken. Dazu gehört auch, nicht Minuten nach einem Terroranschlag Entscheidungen von solcher Tragweite zu treffen.
Was bleibt, sind die Zeichen der Solidarität: Monegassische Fans, die sich im Stadion mit Dortmundern solidarisch singen, BVB-Fans, die Monaco-Anhänger zu Hause aufnehmen, weil die Dienstagnacht zurückreisen wollten. Wie sagte Watzke am Dienstagabend: „Unsere Aufgabe ist es, das zu verarbeiten. Das ist unser Job.“ Es war einer der schlechtesten Sätze des Abends.