Obama in Berlin: Weniger Gefühl, mehr Realismus
Barack Obama spricht vor dem Brandenburger Tor.
Es ist schwer, Barack Obama sachlich und damit fair zu begegnen. Extreme Emotionalität gegenüber US-Präsidenten hat in Deutschland Tradition. Der Abneigung gegen George Bush junior steht die blinde Verklärung Kennedys gegenüber. Wie dieser hat Obama 2008 bei seiner Rede in Berlin gezielt an das Gefühl und die Hoffnung der Menschen appelliert. Und dann? Nichts.
Obama brach mit der Tradition seiner Vorgänger, die wichtigste Wirtschaftsnation Europas zu besuchen. Viele Deutsche reagierten emotional, enttäuscht, fühlten sich zurückgesetzt. Das ist menschlich, aber aus der politischen Perspektive weltfremd. Und Obama ist am Ende vor allem eines: Politiker.
Der US-Präsident hat ein gutes Gespür für Symbolik und die große Geste. Deshalb muss es am Mittwoch auch mindestens das Brandenburger Tor als Redekulisse sein. Er knüpft damit an die historischen Reden Kennedys und Reagans an.
So streichelt er die Seele der Europäer und speziell der Deutschen, die sich durch seinen Schwenk nach Asien und seine Aufmerksamkeit für China vernachlässigt fühlen. Washington rückt scheinbar wieder näher an die alten Verbündeten heran.
Doch das ist nur das Beiwerk, denn auch in Berlin vertritt Obama vor allem eines: realpolitische US-Interessen. Kamen Kennedy und Reagan noch als Präsidenten einer Supermacht, die schützend ihre Hand über Westdeutschland hielt, so hat sich die Lage drastisch geändert. Deutschland steht selbst in der Euro-Schuldenkrise als Musterschüler in Sachen Konjunktur und Arbeitsmarkt da, während die USA nach den kräftezehrenden Kriegen wirtschaftlich verunsichert sind.
In dieser Lage hat Obama nichts mehr von dem erhofften Heilsbringer, den viele noch 2008 in ihm sahen. Bei aller Sympathie, Inszenierung und geschliffener Rhetorik, die die Zuhörer am Mittwoch erwartet, ist deshalb weniger Gefühl und mehr Realismus angesagt.
Die Nagelprobe steht bereits in den kommenden Wochen an: bei den Verhandlungen zur Freihandelszone zwischen den USA und Europa. Diese soll Vorteile für beide Seiten bringen. Dennoch werden die Verhandlungen hart werden. Barack Obama hat in der schwierigen Lage seines Landes keine Care-Pakete zu verschenken.