Meinung Panik im Politikbetrieb
Die Schwester (!) von Martin Schulz hat am Wochenende mit dem Berliner Politikapparat abgerechnet und die SPD als „Schlangengrube“ bezeichnet. Sigmar Gabriel hat über seine Tochter (!) den SPD-Chef Schulz mit in den Abgrund gerissen.
Immer mehr Details aus den Koalitionsverhandlungen verraten, dass man erneut kurz vor dem Abbruch stand. Und bei der SPD wird Andrea Nahles nun noch schneller neue Vorsitzende als gedacht, nachdem Schulz einmal durch den Politikbetrieb durchgejodelt und nach einem Jahr wieder ausgespuckt worden ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Der Berliner Apparat ist auf ausgesprochen ungesunde Weise getrieben.
Die gewachsene mediale Beobachtung und die ständige Rückkoppelung an Wahlvolk und Parteibasis mitsamt millionenfachem Austausch von Argumenten und Beschimpfungen in sozialen Netzwerken mögen ein erhebliches Ideen-Reservoir für eine Demokratie sein. In der Praxis aber scheitern aktive Politik und ihre getriebenen Repräsentanten daran viel zu oft. Der Fall Schulz ist beispiellos und wäre ohne die einhergehende Boulevardisierung von Politik vor einem Jahrzehnt noch nicht möglich gewesen. Man kann das für eine Weiterentwicklung halten. Im Ergebnis hat diese Republik aber auch nach 141 Tagen noch keine ordentliche Regierung, Ende offen. Muss das ein notwendiges Opfer für unsere ach so starke Demokratie sein?
Das Rad ist nicht zurückzudrehen, aber die neuen Gegebenheiten sind gegen Politikverdrossenheit dringend zu regulieren: Zum Beispiel dadurch, dass Parteivertreter wieder als gewählte Vertreter betrachtet werden und mit ihrer Stimme den Willen der Partei-Mitglieder ausdrücken. Die so Prozesse beschleunigen und überdies vertrauensvolle Autoritäten im besten Sinne darstellen. Mitgliederbefragungen in Vielzahl sind Ausdruck von Führungsschwäche, treiben das Führungspersonal zu unvernünftigen Handlungen und schwächen jene, die doch immer stark sein sollen.