Meinung Pflegemisere - Spahn muss sein Versprechen einlösen

Der bei den Protesten rund um die Konferenz der Gesundheitsminister in Düsseldorf mit Krankenschwestern und Pflegern gesprochen hat, konnte vor allem drei Dinge lernen. Erstens: Wer kann, sollte längere Krankenhausaufenthalte vermeiden.

Foto: jm

Zweitens: Seitdem ein aufgebrachter junger Azubi die Kanzlerin vor der letzten Bundestagswahl und vor laufenden Kameras mit den dramatischen Zuständen in deutschen Krankenhäusern konfrontiert hat, scheint sich in den Kliniken erschreckend wenig getan zu haben. Und drittens: Es gibt viele aufgebrachte Krankenpfleger. Und sie werden nicht müde, für bessere Bedingungen in Kliniken und Heimen auf die Straße zu gehen.

Da ist etwa eine junge Frau, die erzählt, dass sie ihre Ausbildung zur Pflegerin in einem Krankenhaus mittendrin abgebrochen hat, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat. Weil sie regelmäßig unter Zeitdruck entscheiden musste, welchem Patienten sie jetzt „noch schnell“ das Hinterteil sauber macht. Da ist ihre Kollegin, die erzählt, dass selbst bei der Betreuung von Krebspatienten oft die Zeit für ein wenig Zwischenmenschlichkeit fehlt. Und dass viele Krankenhäuser vom Druck getrieben sind, Gewinne zu erwirtschaften. Und da ist eine angehende Pflegerin, die sagt, dass sie keine Zeit hat, sich ordnungsgemäß die Hände zu desinfizieren. Dass sie sich überfordert fühlt, weil sie schon zu Beginn ihres Arbeitslebens die Verantwortung für mehrere Patienten übernehmen muss.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte gewiss nicht ganz unrecht. Zum Abschluss der Gesundheitsministerkonferenz sprach er erneut von einer „Vertrauenskrise“ zwischen Politik und Angestellten in der Pflege. „Sie glauben erstens nicht, dass wir überhaupt wissen, was los ist und zweitens glauben Sie nicht, dass wir etwas an der Situation verändern wollen“, erklärte vor Journalisten. „Kein Wunder!“, möchte man ihm zurufen. Im schicken Hyatt-Hotel, wo das Essen wahrscheinlich nicht eine Stunde herumsteht, bevor es serviert wird, weil es an Personal in der Küche fehlt. Noch so ein Erfahrungsbericht. Von einer Mitarbeiterin der Uniklinik in Düsseldorf, die bei einer Tochtergesellschaft angestellt ist. Deren Angestellte laut Verdi wegen fehlenden Tarifvertrags auch mal 500 Euro weniger verdienen als die Kollegen im gleichen Job.

Mit einer weiteren Weisheit hatte Spahn auch nicht ganz unrecht: Auf Worte sollten möglichst schnell Taten folgen. Sonst wird es immer weniger junge Menschen geben, die uns pflegen wollen.