Meinung Spielhallen-Kahlschlag verhindert Spielerschutz

Der Spielerschutz muss über wirtschaftlichen Interessen stehen. Soweit hat NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens Recht. Aber: Dieser Glücksspielstaatsvertrag ist geeignet, kontrollierte Suchtprävention zu verhindern.

Ein Kommentar von Michael Passon.

Es ist nicht der erste grüne Versuch, die Nordrhein-Westfalen durch ideologische Bevormundungspolitik zu besseren Menschen zu erziehen. Dafür einer der gefährlichsten. Ja, Politik muss die Rahmenbedingungen für Prävention schaffen. Wer dafür aber die gesamte Infrastruktur zerschlägt, handelt naiv. Keine Frage: Der Boom an Standorten und Konzessionen — begünstigt durch viele willige Kommunen — muss eingedämmt werden. Aber mit Augenmaß.

Zocker zocken. Sie lassen sich ihre Passion nicht wegnehmen wie ein gefährliches Spielzeug, sondern wählen einen anderen Kanal. Im besten Fall die Gastronomie, wo vereinzelte Geräte unter sozialer Kontrolle bedient werden können. Im wahrscheinlichsten das Netz. Online ist der - illegale - Wildwuchs längst nicht mehr beherrschbar.

Wer Süchtigen helfen will, darf sie nicht in die Anonymität drängen. Das beste Beispiel dafür ist Hessens Pilotversuch mit einer Spielersperrdatei. Zocker lassen sich nicht gern registrieren, die meisten machen dort weiter, wo sie keiner stört. Wozu hat Politik der Branche die Finanzierung und Umsetzung von Präventionsprogrammen abgerungen?

Derweil gibt es für die Automatenindustrie, die dieser Selbstverpflichtung in weiten Teilen nachkommt, keinen Grund zum Jammern. Die Übergangszeit zur Vermeidung von Härten für Betriebe und Mitarbeiter läuft seit 2012. Passiert ist nichts. Solange der Rubel rollt, siegt die Gier. Dazu hat die Branche ein Kommunikationsproblem. Zum Thema Glücksspielstaatsvertrag bittet sie die Presse in ein Düsseldorfer Nobelhotel und gibt vor, sich zuerst um Spielsüchtige und Stadtkassen zu sorgen. Was soll das? Die Automatenindustrie will Geld verdienen, beschäftigt Tausende und zahlt kräftig Steuern. Wer mit angeborenem schlechten Image lebt, sollte größten Wert auf Glaubwürdigkeit legen.

Die NRW-Kämmerer sind gut beraten, nicht allzu gelassen auf Dezember 2017 zu schauen. Jenseits der politischen Bewertung und der zu erwartenden Klagewelle ausgebooteter Spielhallenbetreiber stehen Millionen an Einnahmen auf dem Spiel. Für Spielplätze, Straßen, Seniorenheime. Das gehört auch zur Wahrheit.