Unsere Gesellschaft braucht Hebammen

Geburtshilfe wird immer mehr zur Aufgabe der Kliniken.

Ständig in Bereitschaft, rund um die Uhr ansprechbar, und das immer mit voller Aufmerksamkeit — es ist enorm, was Hebammen für unsere Gesellschaft leisten. Und es ist beschämend, wie schlecht sie dafür bezahlt werden. Dass ihnen auch noch Versicherungsprämien aufgezwungen werden, die ihren Beruf zum puren Idealismus machen, ist blanker Hohn.

Nach jahrelangem politischen Nichtstun muss die große Koalition nun endlich dafür sorgen, dass sich die freiberuflichen Geburtshelferinnen ihren Beruf auch in Zukunft leisten können — zum Wohle aller. Denn gerade in Zeiten, in denen Schwangerschaft und Geburt zum medizinischen Risiko erklärt werden, bilden die freiberuflichen Hebammen einen ganz entscheidenden Gegenpol.

Ohne sie hätten Frauen erstmals keine Wahlfreiheit mehr, wo sie ihre Kinder zur Welt bringen. Sie müssten zwingend in einer Klinik mit wechselnden Geburtshelfern entbinden. Sie hätten keinen festen Ansprechpartner mehr, der die ganze Zeit an ihrer Seite bleibt. Und sie verlören weiter Einfluss darauf, wie sie gebären. Das ist menschlich bedauerlich, weil es den Frauen Selbstbestimmtheit in einem der persönlichsten Momente ihres Lebens nimmt.

Es ist aber auch medizinisch riskant: Jedes dritte Kind wird inzwischen per Kaiserschnitt geholt. In den USA — wo aus Versicherungsgründen gerade noch acht Prozent der Schwangeren überhaupt von Hebammen betreut werden — gibt es jetzt schon Geburtsärzte, die noch nie eine natürliche Entbindung gesehen haben.

Auch in Deutschland werden Schwangerschaft und Geburt zunehmend wie eine Krankheit behandelt. 160 medizinische Analysen werden heutzutage im Laufe einer ganz normalen Schwangerschaft durchgeführt — sicherheitshalber.

Gerade deshalb sind Hebammen so wichtig in der Geburtshilfe: Sie verfügen über eine Souveränität, die aus der Erfahrung eines jahrtausendealten Berufsstandes rekurriert. Sie kennen die Frauen gut, weil sie diese schon durch ihre Schwangerschaft begleiteten. Und sie haben eine Gewissheit, die vielen Paaren heutzutage ausgeredet wird: dass Kinderkriegen etwas ganz Natürliches ist.