Meinung Wenn der Föderalismus zum Hemmschuh wird
Welche Folgen bürokratische Hemmnisse für die deutschen Sicherheitsbehörden bei der Strafverfolgung haben, hat die Causa Anis Amri den Ermittlern im Dezember vergangenen Jahres auf blutige Weise vor Augen geführt.
So stand die Innenministerkonferenz in Dresden in dieser Woche vor allem im Zeichen der Terrorbekämpfung, bei der die Innenminister und Senatoren der Länder sowie Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch Fragen über die Sinnhaftigkeit des Föderalismus in der Polizeiarbeit diskutieren mussten. Bislang war es für die Beamten nämlich keineswegs möglich, Ermittlungsergebnisse und Datensätze über Landesgrenzen hinweg auf kurzem Dienstweg untereinander auszutauschen.
Der Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags wird noch zu klären haben, inwiefern die föderale Struktur der Bundesrepublik dazu beigetragen hat, dass ein einschlägig bekannter Gefährder einfach vom Radar der Behörden verschwinden konnte. Kürzlich schilderte auch André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), in einem Interview süffisant, dass man schon mal die Kollegen in einem anderen Bundesland für einen Blick in deren Datenbank persönlich besuchen müsse, wenn man etwa Informationen über einen Verdächtigen gewinnen wolle, der jenseits des eigenen Zuständigkeitsbereichs auffällig geworden ist. Polizeiarbeit 2.0 im Jahr 2017. Das organisierte Verbrechen in einer globalisierten Welt schert sich allerdings herzlich wenig um innerdeutsche Landesgrenzen. Diese Erkenntnis ist zwar längst überfällig, doch gehen die Konferenzteilnehmer in Dresden mit ihrem Maßnahmenkatalog nun einen Schritt in die richtige Richtung, um den „Flickenteppich in der inneren Sicherheit“, wie de Maizière den bisherigen Zustand seines Ressorts treffend beschreibt, endlich zu beseitigen.
Behördliches Kompetenzgerangel kann sich Deutschland in Zeiten der anhaltenden terroristischen Bedrohung nicht mehr leisten. Nicht nur die Aufweichung der föderalistischen Strukturen in der Polizeiarbeit ist eine Zäsur in der Sicherheitspolitik — schwer vorstellbar waren vor Jahren auch die Überwachung von Kindern durch Geheimdienste oder das staatlich legitimierte Ausspähen von Messenger-Diensten wie Whatsapp. Auf Abstriche in puncto Datenschutz und persönlicher Freiheit zugunsten der Sicherheit werden wir uns auch in Zukunft einstellen müssen. Leider.