Meinung Warum Lindner mit diesem Konzept leben kann
Keine Blitzermarathons und keine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte mehr, dafür viel mehr von fast allem: Mehr Polizeianwärter, mehr Videoüberwachung, mehr Fußfessel, nun auch Schleierfahndung — auch wenn die FDP Letzteres „anlassbezogene und verdachtsunabhängige Anhalte- und Sichtkontrolle“ nennt.
Das ist Kosmetik. Wenn vieles von dem bisher Erarbeiteten durchaus der FDP zuzuschreiben war, darf man bei dieser Koalitionsrunde Justiz und Inneres getrost sagen: sie geht an die CDU.
Mit der liberalen Idee hat das scharfe Sicherheitspaket der neuen Koalition für NRW nicht mehr viel zu tun. Zeugen für solche liberalen Vorbehalte von einst, die bei manchem überdauert haben dürften, sind etwa die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum, der viele der Vorschläge in der aufgewühlten Sicherheitsdebatte schon zu Beginn des Jahres als „Volksverdummung“ geißelte und stattdessen „Prävention“ für den richtigen Weg hielt. Davon lässt sich nicht viel finden im Konzept für NRW.
Zur Wahrheit gehört: Die FDP ist der Juniorpartner in der Koalition, da wird man die Vereinbarungen für eine Regierung nicht durchweg dominieren können. Und auf dem Gebiet der inneren Sicherheit haben unter dem vom islamistischen Terror getriebenen Wählerdruck schon Parteien wie die Grünen über Sicherheitsverschärfungen diskutiert, für die sie sich früher Farbbeutel auf die Ohren geschmissen hätten.
Soll heißen: Innere Sicherheit ist ein Thema, das von rechts längst in die Mitte gerückt ist. Deshalb muss FDP-Chef Christian Lindner auch nicht übermäßige Sorge tragen, dass ihm diese gestern angekündigten Taten bei nordrhein-westfälischer Regierungsbeteiligung — die er nicht wirklich gewollt hatte — für den anstehenden Bundestagswahlkampf auf die Füße fallen werden.
Zum Inhalt: Wesentlich ist in einem vom Terror bedrohten Bundesland, in Zeiten von überbordenden polizeilichen Überstunden mehr Polizei auf die Straße bringen zu können. Diesbezüglich erfüllt die Koalition die Mindestanforderungen, mit den neu einzurichtenden Polizeiverwaltungsstellen auch darüber hinaus. Für die Beurteilung der Koalition wird es aber am Ende dieser Verhandlungstage ebenso wichtig zu sehen sein, wo denn gespart wird. Bei allen verkündeten Maßnahmen wird sich mancher noch umschauen müssen, was alles nicht mehr geht.