Meinung WM-Affäre: Beckenbauer ist die Schlüsselfigur
Monatelang haben sie emsig recherchiert, die Anwälte der Wirtschaftskanzlei Freshfields. Sie haben Mails gelesen, Aktenordner durchforstet, Beteiligte befragt. In Spitzenzeiten waren 35 Juristen im Einsatz.
Das Ergebnis dieser Bemühungen ist ernüchternd: Ob der Zuschlag für die Fußball-WM 2006 in Deutschland auf Bestechung beruht, wissen wir nach wie vor nicht. Vieles deutet allerdings darauf hin.
Aber das wussten wir vorher schon. Neu sind dubiose Millionen-Zahlungen, die am Ende in Katar landeten und bei denen Franz Beckenbauer seine Finger im Spiel hatte. Die einstige Lichtgestalt des deutschen Fußballs ist die Schlüsselfigur der Affäre. Der Freshfields-Bericht wirft so viele Fragen auf, dass sich endlich deutsche Staatsanwälte mit Herrn Beckenbauer beschäftigen sollten und nicht nur private Ermittler.
Als gesichert gilt bisher nur, dass der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus im Jahr 2002 die inzwischen berühmten 6,7 Millionen Euro im Auftrag der deutschen WM-Macher unter Leitung Beckenbauers an den Fußball-Weltverband Fifa überwies. Unstrittig ist auch, dass Louis-Dreyfus das Geld 2005 auf dem Umweg über ein Fifa-Konto zurückbekam. Diese Zahlung wurde vom WM-Organisationskomitee allerdings bewusst falsch deklariert — warum auch immer. Wer das Geld bekam und zu welchem Zweck, ist ungeklärt.
Eine Version besagt, mit den 6,7 Millionen sollte eine spätere, weitaus höhere Zahlung der Fifa an die deutschen WM-Macher gesichert werden. Version zwei: Das Geld wurde von korrupten Fifa-Funktionären verwendet, um 2002 den Wahlkampf des damaligen Präsidenten Joseph Blatter zu finanzieren. Version drei ist die schmutzigste, aber auch wahrscheinlichste: Mit den Millionen wurden nachträglich Wahlmänner der Fifa bezahlt, die im Sommer 2000 über die Vergabe der WM zugunsten Deutschlands entschieden.
Für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), der Freshfields beauftragt hatte, ist die Sache mit dem Bericht alles andere als erledigt. Insbesondere muss die Frage gestellt werden, ob der ehemalige DFB-Chef Wolfgang Niersbach den deutschen Fußball in den internationalen Gremien weiter vertreten sollte. Niersbach wusste spätestens seit Juni 2015 von den Unregelmäßigkeiten im Zuge der WM-Vergabe.
Er lehnte es jedoch ab, offizielle Gremien oder die Öffentlichkeit zu informieren. Anders als Beckenbauer steht Niersbach nicht im Zentrum der Affäre. Aber er hat die Aufklärung der schmierigen Angelegenheit behindert. Insofern gehört es zu den Aufräumarbeiten beim DFB, sich vollständig von Niersbach zu trennen.