NRW 40 Kommandos für Königspudel Belux führen Garatherin durchs Leben

Garath · Jessica von Bebber ist quasi blind. Im Alltag hilft ihr Belux. Außerhalb der Arbeitszeiten ist der Rüde ein Familienhund.

Nina Jonas (r.) aus Kleve hat den Blindenführhund Belux ausgebildet. Er hilft nun Jessica van Bebber.

Foto: Dirk Weber

Belux Vel Grace ist ein Königspudel. Der viereinhalbjährige Rüde wiegt 26 Kilo. Er frisst gerne Leckerlis und lässt sich am liebsten unter seiner großen schwarzen Schnauze kraulen. Sein Lieblingsplatz ist unter der Eckbank am Küchentisch, von wo aus er seine Familie im Blick behält: Frauchen Jessica (37), ihren Mann Christian (42) und die beiden Kinder Tobias (9) und Fabian (11). Belux ist kein gewöhnliches Haustier; er ist ein Diensthund, ein Blindenführhund. Nach Paragraph 33 des Sozialgesetzbuchs ist er ein medizinisches Hilfsmittel, vergleichbar mit einem weißen Langstock oder einem Rollstuhl.

Seit ihrer Geburt leidet Jessica van Bebber aus Garath an einer Erkrankung der Netzhaut, die dafür sorgt, dass ihre Sehschärfe abnimmt. Zapfen-Stäbchen-Dystrophie lautet der medizinische Name. Als Kind hatte sie eine Sehkraft von vielleicht 25 bis 30 Prozent. Mit 18 lag der Wert nur noch bei zwei bis fünf Prozent. Mittlerweile gilt sie als blind, auch wenn sie leichte Schatten erkennen kann. „Damit reißen lässt sich nichts“, sagt sie und muss lachen. Früher hat sie sich mit einem Blindenstock durch die Straßen zur Arbeit gestochert. Seit knapp drei Jahren hilft ihr Belux. Er versteht mehr als 40 Befehle, um sie sicher ans Ziel zu geleiten. Dazu gehören Kommandos zum Losgehen, Anhalten, für Richtungswechsel oder um die Laufgeschwindigkeit anzupassen. Genauso wichtig sind die Suchbefehle: „Such Ampel“, „Such Bushaltestelle“, Such Schalter“, „Such Treppe“.

Gelernt hat er das von Nina Jonas, die in Kleve eine Blindenführhundschule betreibt. Bei ihr lernen die Hunde ab dem Welpenalter alles, was sie fürs Führen wissen müssen. „Die Hunde müssen eigenständig Hindernisse am Boden, an Seiten und in der Höhe erkennen und anzeigen beziehungsweise umgehen“, so die Ausbilderin. Noch wichtiger sei, dass sich Hund und Mensch als Gespann verstehen.

„Sympathie kann man nicht lernen. Die hat man oder nicht.“ Bei Jessica van Bebber und Belux lief das erste Kennenlernen wie folgt: „Wir haben uns getroffen und hatten gleich einen Draht zueinander.“ Später kam er für ein paar Tage zum Probewohnen. Familie van Bebber lebt in Garath in einer Wohnung in der zweiten Etage. „Das war schön“, erinnert sich Jessica van Bebber. „Der ist gleich ins Zimmer von Tobias gelaufen, der gerade auf dem Boden hockte und mit Lego gespielt hat. Belux hat sich in eine Ecke gelegt und alle Viere von sich gestreckt. Ein Zeichen, das er sich wohlfühlt.“ Den Wunsch, es mit einem Blindenführhund zu versuchen, hatte Jessica van Bebber schon lange. In Deutschland können Blindenführhunde aber nur an Erwachsene vermittelt werden, sagt Nina Jonas.

Es gab aber noch ein viel größeres Problem – und das war Jessica van Bebbers Mann. Der ist allergisch, und das ausgerechnet gegen Hundehaare. „Also habe ich lange recherchiert“, erzählt die Garatherin, „bis ich auf Nina und den Pudel gekommen bin.“ Sein Fell ist nämlich weniger haarig als wollig und löst deswegen seltener Allergien aus. „Um auf Nummer sicher zu gehen, hat sich mein Mann beim Arzt testen lassen. Ich habe gebetet, dass er keine allergische Reaktion zeigt, und wurde erhört.“

Sobald Belux seine Kenndecke und das Führgeschirr übergestreift bekommt, weiß er, dass sein Dienst beginnt. Man sollte ihn dann weder ansprechen noch streicheln. „Ich arbeite“ steht auf einem Aufnäher, den er an der Seite trägt. „Er ist unser fünftes Familienmitglied“, bringt es der Vater auf den Punkt. Das Schwimmbad sei der einzige Ort, an dem der Blindenführhund nicht mitkommen dürfe. Schlechte Erfahrungen habe Jessica van Bebber dagegen mit Arztpraxen gesammelt. Da bekommt sie zu hören: „Der Hund muss aber draußen bleiben!“

Dabei sei es ihr ausdrücklich gestattet, ihren Hund mitzunehmen. „Bei einem Rollstuhlfahrer käme ja auch niemand auf die Idee zu sagen, dass er seinen Rollstuhl vor der Tür stehen lassen und den Rest auf dem Boden robben soll.“ Nach Dienstschluss ist Belux dann wie jeder andere Hund, der geknuddelt und lieb gehabt werden will. „Wenn er irgendwann in Rente geht, bleibt er als Haushund hier“, sagt Christian van Bebber.