Harte Verhandlungen 9 Euro-Ticket ab Juni: Bund und Länder ringen um Finanzpaket
Die Pläne der Ampel-Koalition für ein „9 für 90“-Ticket haben die Länder überrascht. Der Bund will die Kosten übernehmen. Die Länder wollen aber außerdem Milliardenhilfen für den ÖPNV.
Das günstige Ticket für den öffentlichen Nahverkehr soll am 1. Juni starten - Bund und Länder ringen aber noch um ein Finanzpaket. In Länderkreisen war am Dienstag von schwierigen Verhandlungen die Rede. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, fordern die Länder, dass der Bund eine Summe von insgesamt 5,6 Milliarden Euro zur Stützung und Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) übernimmt. Darin enthalten sind auch die Kosten für das geplante 9-Euro-Monatsticket für drei Monate, das am 1. Juni starten soll.
Dass der Bund die Kosten dafür übernimmt, ist unstrittig. In den Länderkreisen hieß es, schwierig seien vor allem die Verhandlungen über eine Summe von 1,5 Milliarden Euro - dieses Geld fordern die Länder, damit etwa gestiegene Energiepreise für die Verkehrsunternehmen kompensiert werden. Damit soll verhindert werden, dass ansonsten Ticketpreise erhöht werden müssen. Außerdem sollen die Regionalisierungsmittel steigen. Diese zahlt der Bund zur Finanzierung des Nahverkehrs.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Länder und ihre Verbünde werden alles daran setzen, das 9-Euro-Ticket trotz aller Schwierigkeiten umzusetzen. Es muss aber unbedingt vermieden werden, dass nach den 90 Tagen 9-Euro-Ticket anschließend die Tarife nach oben schießen.“
Deshalb müsse jetzt ein „ÖPNV-Stärkungspaket“ vereinbart werden, das den finanziell angeschlagenen Verbünden und Unternehmen, vor allem den kleineren und mittelständischen Unternehmen, auch mittelfristig helfe. Ansonsten drohten „Marktaustritte“ sowie mögliche Angebotsstreichungen. „Das wäre fatal für den Klimaschutz“, so Hermann.
Wie im Koalitionsvertrag der Ampel auf Bundesebene vereinbart, müssten die Regionalisierungsmittel deutlich erhöht werden. Zweitens müssten die drastisch gestiegenen Personal- und Energiekosten kompensiert werden, so Hermann. Die Verbünde und die Unternehmen hätten außer Tariferhöhungen oder Angebotsreduktionen keine Finanzierungsmöglichkeit. Außerdem müsse der auch im Koalitionsvertrag vereinbarte pandemiebedingte Rettungsschirm für 2022 finanziert werden. Dazu bestehe weitgehend Einigkeit, auch über die 50:50-Aufteilung der Kosten zwischen Bund und den Ländern.
In einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Umsetzung des günstigen Tickets für drei Monate gab es eine Einigung auf der Arbeitsebene, wie die dpa aus Länderkreisen erfuhr. Demnach wurde ein Fahrplan verabredet: Bundestag und Bundesrat sollen notwendigen gesetzlichen Änderungen am 19. und 20. Mai zustimmen, damit die Ticketaktion ab dem 1. Juni starten kann.
Das günstige Ticket soll bundesweit gelten - allerdings könnte dies Einnahmeausfälle bei der bundeseigenen Deutschen Bahn zur Folge haben, weil dann Fahrgäste für weitere Strecken nicht den ICE, sondern Regionalbahnen nutzen. Für Jobtickets und Semestertickets soll die Ermäßigung ebenfalls gelten. Das günstige Ticket soll nicht nur rein online gebucht werden können, wie es Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) empfohlen hatte, sondern auch über Fahrkartenautomaten und Servicecenter.
Wissing hatte zugesagt, dass der Bund die Kosten für den Nahverkehrsrabatt übernimmt, er hatte von 2,5 Milliarden Euro gesprochen. Für den ÖPNV-Rettungsschirm wegen Einnahmeausfällen in der Pandemie soll der Bund nach Angaben aus Kreisen rund 1,6 Milliarden Euro beisteuern, die Länder wollen weitere 1,6 Milliarden Euro geben.
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte der dpa: „Der Bund muss jetzt schnell Klarheit schaffen und die offenen Fragen beim 9 für 90 Ticket klären. Zudem muss der Bund hier Wort halten und sämtliche Mindereinnahmen und Mehrkosten für das 9 für 90 Ticket tragen. Auch seiner Verantwortung bei der Kompensation der gestiegenen Energiepreise im ÖPNV muss der Bund nachkommen und die Regionalisierungsmittel angemessen erhöhen.“